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Plattenbau G58

Datierung 1958
Architekt(inn)en Bohumír Kula, Karel Janů
Kode Z5
Adresse Ševcovská 3943, Zlín
Öffentlicher Nahverkehr Öffentlicher Nahverkehr: Díly II (BUS 38)
GPS 49.2264928N, 17.6781314E

Bohumír Kula war davon überzeugt, dass Typ G57 in der Entwicklung des Systems G „nicht die letztendliche technische Phase ist und auch nicht sein kann“. Einen weiteren Schritt machte er offenbar zusammen mit dem erfahrenen Prager Architekten Karel Janů bei der Entwicklung des neuen Typs G58. Karel Janů war zusammen mit Jiří Voženílek vor dem zweiten Weltkrieg Mitglied der Gruppe PAS, nach dem Krieg bekleidete er die Funktion des Direktors der Tschechoslowakischen Baubetriebe. Ab 1953 widmete er sich voll und ganz der Entwicklung neuer Bauformen für Wohnhäuser. In Otrokovice realisierte er den Prototyp eines Fertighauses, den er als Typ T16-S weiterentwickelte. Karel Janů konnte auf die beiden wesentlichen Innovationen Einfluss ausgeübt haben. Die erste ist die Kombination des Plattensystems mit Stahlpfeilern. Das Einfügen von Tragepfeilern löst nämlich das für die Plattensysteme typische Problem, die Disposition der Wohnungen von der Spannweite des Konstruktionssystems abhängig zu machen. Bei allen vorhergehenden G-Typen betrug die Spannweite nur 3,6 m – deshalb konnte kein Wohnzimmer in Querrichtung zu den tragenden Platten breiter sein, und die damit festgelegte Disposition konnte ohne Eingriff in das Konstruktionssystem nicht allzu sehr geändert werden. Ein die Platte ersetzender Tragepfeiler schien somit eine Ideallösung zu sein, die nicht nur geräumigere Zimmer bot, sondern auch die Möglichkeit einer künftigen variablen Gestaltung der Disposition. Gerade die Variabilität der Disposition war vor dem Jahr 1960 ein von den Architekten viel diskutiertes Thema. Karel Janů verwendete nur zwei Jahre später in Pilsen bei Prototyp PL60 das System mit Tragepfeilern. Die zweite Innovation ist der Versuch, andere Fertigteile als die schweren Platten in ein Haus zu integrieren. Leichtere Fertigteile – also die Produktion von Trennwänden oder Installationskernen, Installationsschächten, eingebauten Details aus Holzfaserplatten oder anderen Platten würden den Bau leichter machen und dabei verhelfen, die Innenräume flexibler zu gestalten – beispielsweise die Trennwände zu verschieben. Die Position des Kerns war zwar fest vorgegeben, bot aber zwei Möglichkeiten, die Stelle für das Badezimmer und die Küche zu bestimmen. Bei einer Positionierung der Küche an der Trennwand des Wohnzimmers konnte die Trennwand dann entfernt und die Küche mit dem Wohnzimmer verbunden werden. Eine solche Lösung wrd auch heute noch verlangt, und Typ G58 hat sie bereits in den fünfziger Jahren auch ohne Eingriff in die tragende Konstruktion angeboten.
Es wurden drei Sektionen entworfen – eine Endsektion, eine mittlere mit Anschluss an die dritte – die Ecksektion. Eine Sektion können wir uns also als selbständigen Teil des Hauses vorstellen, der von einer Treppe aus zugänglich ist. Durch ihre Anordnung nebeneinander erhält man nicht nur ein längliches Gebäude, sondern bei Verwendung der Ecksektion auch ein L-förmiges Objekt. Die mittlere Sektion unterscheidet sich von der End- und der Ecksektion nur durch Weglassung eines Zimmers an der Stelle ihrer Querverbindung – im Unterschied zu zwei Dreizimmerwohnungen in einem Stockwerk findet man dort nur eine Zwei- und eine Dreizimmerwohnung vor.
Vor Baubeginn des Prototyps errichteten die Zlíner eine einstöckige Versuchszelle der Ecksektion. Danach nahmen sie 1958 an der Kreuzung der Straßen Ševcovská und Díly II. den Bau eines Prototyps in Angriff, der alle drei Sektionen enthielt. Jede der Sektionen des Eckhauses hat in einem Stockwerk jeweils zwei Wohnungen, also zehn Wohnungen in einer fünfgeschossigen Sektion. Im ganzen Haus finden wir 25 Dreizimmer- und 5 Zweizimmerwohnungen.  
Das Aussehen des Hauses hatte sich sowohl vom sozialistischen Realismus der Typen G40 und G55, als auch von der Strenge des Typs G57 freigemacht, bei dem beispielsweise im Stadtviertel Bartošova nur das Raster der Fenster und der Loggien die Häuser „verzierte“. Der visuelle „Trick“ von Haus G58 basiert auf sich abwechselnden Streifen massiver Betonelemente, ferner auf Rundfensterbändern der Treppenhäuser und auf sehr entlasteten Fensterbändern mit farblich abgesetzten Brüstungen, die von Vertikalen unterbrochen werden und das Haus von seiner monotonen Wirkung befreiten, die den „Plattenbauten“ oft vorgeworfen wurden.
Dem Prototyp folgten in Otrokovice bald zwei weitere G58-Gebäude mit jeweils 60 Wohneinheiten. Trotz seines revolutionären Charakters (oder gerade wegen ihm) hat sich dieser progressive Typ, wie auch sein noch progressiverer jüngerer Bruder G59, nicht sehr verbreitet. Andere als die in Zlín und Otrokovice errichteten Objekte haben die Architekturhistoriker bislang nicht entdeckt. 
Anhand von zeitgenössischen Fotografien können wir auf die ursprüngliche ockerfarbene Farbe der Brüstungsplatten und auf die helle Farbe der vertikalen Streifen schließen. Die Häuser in Otrokovice haben ein ähnliches Farbschema beibehalten, jedoch ist das Zlíner Haus G58 jetzt ganz in hellen Farben gehalten, mit Ausnahme der mit Rundfenstern versehenen Platten, die in heller Kaffeefarbe gehalten sind. Die Fenster wurden ersetzt, und die Oberflächen der vertikalen Bänder wurden ebenfalls verändert, deren neue Struktur allerdings der ursprünglichen Absicht entspricht, diese Teile anders als die Fensterbänder zu gestalten. Obwohl das Haus seinen ursprünglichen Ausdruck verloren hat, kann man nicht sagen, dass es – anders als bei der Änderung des späteren Prototyps G59 – durch die Veränderung einen gewissen, auf der  Unverbrauchtheit der Fassadengestaltung beruhenden Reiz verloren hätte.
 
 
MJ