Haus des Großfleischers Eduard Červinka
Die Einholung einer Metzgerkonzession für den Bewohner des Hauses Nr. 9 Karel Mikšík wird ins Jahr 1899 datiert. Diese Tätigkeit wird auch von dem Metzgergesellen Eduard Červinka fortgesetzt, mit dessen Namen das Objekt am Rande der Westfront des Friedensplatzes automatisch in Verbindung gebracht wird. Auf der historischen Parzelle im Stadtzentrum stand ursprünglich ein einfaches einstöckiges Haus mit Schindeldach, das von zwei Familien bewohnt wurde. Im Jahr 1921 erhält Červinka die Genehmigung, eine Fleischer- und Metzgerwerkstatt mit Elektromotorantrieb einzurichten, ein Jahr später stattet er das Haus mit einer Schaufensterauslage aus, und im Jahr 1927 vergrößert er den Geschäftsraum um eine weitere Räumlichkeit. Aus demselben Jahr ist auch eine Aufzeichnung über den schlechten Zustand des Gebäudes erhalten geblieben mit der Empfehlung, es in absehbarer Zeit entweder abzureißen oder völlig umzubauen. Der prosperierende Unternehmer Červinka legte deshalb im Juni 1931 die Pläne für den Bau eines neuen Geschäfts- und Wohnhauses vor, die von dem Brünner Architekten Bohumír Čermák im progressiven funktionalistischen Stil entworfen worden waren. Hinter der Realisierung stand die Baufirma von Josef Jarcovják.
Über die Gründe, die den Unternehmer Červinka dazu brachten, einen Brünner Architekten anzusprechen, ist nichts bekannt. Bohumír Čermák ist zu Beginn der dreißiger Jahre bereits ein erfahrener Architekt mit einem eigenen Planungsbüro, in dem er sich unter anderem auch mit Innenräumen und Gegenständen des Kunstgewerbes beschäftigte. Eine Zusammenarbeit mit Brünner Architekten gab es in Zlín nicht oft, jedoch kann man auch andere Beispiele dafür finden, wie beispielsweise das Haus von Bernard Weinstein in der Straße Dlouhá, das von dem jüdischen Architekten Max Tintner entworfen wurde.
Das Geschäfts- und Mietshaus von Červinkas Fleischerei wurde als dreigeschossiges Objekt mit Dachgeschoss entworfen. Die unregelmäßige Form der zu zweierlei Zwecken dienenden Parzelle hat auch die Form des Hauses mit einem in den inneren Block des Grundstücks zurücktretenden Flügel bestimmt. Das Objekt ist teilweise unterkellert, im Souterrain befinden sich vier Räume mit Zentralheizung und ein Raum für Brennstoff. Im Erdgeschoss sind zwei Geschäftseinheiten untergebracht, die durch eine Durchfahrt zum Hof voneinander getrennt sind. Der Hauptgeschäftsraum der Fleischerei und Metzgerei hat eine großzügige lichte Raumhöhe von 3,55 m. Im ebenfalls von Architekt Bohumír Čermák gestalteten Interieur gab es neben der Verkaufstheke auch einen abgetrennten Essbereich mit kleinen Tischen. An diesen Geschäftsteil schloss ein Flügel mit einem Büro, einem Kühlraum und eine Küche mit Speisekammer sowie einem zum Hof führenden Gang an. Vom Büro aus führte eine Wendeltreppe in den Flur des ersten Stockwerks. Der zweite Raum neben der Durchfahrt hatte außer einem Geschäftsraum auch ein Lager und ein Klosett.
Über das erste Stockwerk erstreckte sich die repräsentative Wohnung der Familie Červinka, die aus einer Wohnhalle, einem Schlafzimmer, zwei Zimmern, einem Bad und einem Waschraum bestand. Von der Halle aus gelangte man auf die Terrasse, auf der über dem Hofflügel des Hauses ein Garten angelegt worden war. Dieses Stockwerk beherbergte auch zwei Büroräume und ein Wartezimmer mit Toilette. Im zweiten Stock finden wir zwei Wohnungen – eine separate Zweizimmerwohnung mit Küche, Bad und einem kleinen, zum Hof gewandten Balkon und eine Dreizimmerwohnung mit Diele und einem kleinen Dienstmädchenzimmer. Das Dachgeschoss des Hauses beherbergte eine Wohnung mit Küche und zwei separate Zimmer mit Gemeinschaftsbad im Flur. In diesem letzten Stockwerk stand auch ein Wasch- und Trockenraum zur Verfügung.
Die Fassade des Hauses verweist klar auf die damals aktuellen funktionalistischen Tendenzen und stellt eines der markantesten Charakteristika von Červinkas Haus dar. Über die ersten beiden Stockwerke wurde ein Erker aus einer Stahlkonstruktion mit Fensterbändern gebaut, der mit Heraklithplatten ausgekleidet wurde. Dank dessen entstand im Dachgeschoss ein offener Balkon mit Geländer. Der Wohnteil über dem Geschäftsparterre wird von einem regelmäßigen Raster amerikanischer Schiebefenster durchbrochen. In Čermáks Entwurf sind an der Fassade mehrere Neon-Leuchtreklamen angebracht, die über dem Haupteingang des Geschäfts und an den Fassadenrändern erstrahlen sollten.
Im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat das Objekt den Besitzer gewechselt und wurde dann von dem staatseigenen Betrieb Pramen verwaltet. Nach und nach wurden die Wohnungseinheiten durch Betriebsräume von Verkaufsläden ersetzt, aus den einstigen Fleischereien wurde ein Knödelbetrieb. Obwohl die Geschäftsflächen bis heute zu ihrem ursprünglichen Zweck dienen, wurde der Rest des Hauses durch zahlreiche Eingriffe umgestaltet. Aber auch so findet man dort noch eine Fülle an erhalten gebliebenen Details, wie etwa die ursprünglichen Balkons, die Steinverkleidung oder die Fenstergliederung. Das größte Übel heute ist die Anbringung von Werbebannern in den Erkerfenstern. Dieser visuelle Smog verdirbt den ursprünglich großzügigen Ausdruck des Hauses, das zur Zeit der größten Blüte Zlíns von einem Architekten errichtet wurde, der nicht der Bauabteilung der Firma Baťa angehörte.
LŠ