Infopoint Wohnen zu Zeiten Baťas
Das Einfamilienhaus mit Veranda entstand als Bestandteil des speziellen Residenzviertels Nad Ovčírnou, das in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre auf einem abschüssigen Freigelände südlich des neu errichteten Geschäfts- und Gesellschaftszentrums und späteren Platzes der Arbeit hochgezogen wurde. Die Gesellschaft Baťa hat dort das Wohnen ihrer Beschäftigten auf mehrere Arten und Weisen definiert. Sie behielt die Zone mit einzelstehenden Häusern im Grünen nur für verheiratete Mitarbeiter mit Familien vor, die eine hochqualifizierte Funktion ausübten wie etwa Abteilungsleiter, Forschungsmitarbeiter u.ä. Die Firma bot ihnen den vollen Komfort eines kleinen, in Gehweite der Fabrik gelegenen intimen Wohnviertels. Darüberhinaus konnten sie hinsichtlich Disposition und Geräumigkeit großzügige Häuser nutzen, die immer nur für eine Familie bestimmt waren.
Das Einfamilienhaus, in dem heute der Infopoint Wohnen zu Zeiten Baťas seinen Sitz hat, wurde in den Jahren 1927–1928 als unterkellerter Bau mit Veranda, Wohnzimmer, Küche und einem kleineren Zimmer im Erdgeschoss errichtet. Ins Obergeschoss, in dem sich ein Kinderzimmer, das Schlafzimmer der Eltern, ein weiterer kleiner Raum und das Bad befanden, führte eine Holztreppe in der Mitte des Objektes. Die Dispositionslösung des Einfamilienhauses ist im Vergleich zu den übrigen atypisch, die Unterbringung des Bades im Obergeschoss kann durch das Bestreben erklärt werden, einen neuen Haustyp zu erproben. Eine Reihe benachbarter Häuser in der Straße Nad Ovčírnou II wich Anfang der dreißiger Jahre den für die Schüler von Baťas Schule der Arbeit bestimmten Internatsgebäuden. Jedoch ist das Einfamilienhaus Nr. 1295 in dichter Nachbarschaft zu einem der Internatsgebäude einzeln stehen geblieben. Aus dem Jahr 1944 stammen die Pläne zur Umgestaltung des Hauses, wobei die Küche um die Fläche des an sie anschließenden Zimmers vergrößert und aus der Veranda eine direkt von der Treppe aus zugängliche Erholungsterrasse gemacht wurde. In späteren Jahren kam es zu weiteren Änderungen: Zumauerung der von der Veranda in den Hauptraum führenden Tür, Verblendung der Fenster im Süden und Verlegung der ursprünglich zum Internat zeigenden Haupttür auf die Westseite.
In der jüngsten Geschichte wurde das stadteigene Einfamilienhaus als öffentliche Ausstellung über das Wohnen zu Zeiten Baťas genutzt. Einen neuen Inhalt erhielt es im Jahr 2014, als es von dem Zlíner Architektenbüro ellement architects bezogen wurde, das sich unter anderem langfristig gerade mit der Wohnproblematik zu Zeiten Baťas, mit den Möglichkeiten, diese den heutigen Bedürfnissen anzupassen und mit der Popularisierung der Baťaschen Architektur mittels kommentierter Stadtführungen beschäftigt. Drei Jahre später wurde das Erdgeschoss des Hauses für die Dauerausstellung Das Baťasche Haus: Verschwindende Elemente der Zlíner Architektur hergerichtet. Ihre endgültige Form erhielt die Ausstellung im Rahmen des langjährigen, auf den Wandel von Industriestädten im 20. Jahrhunderts ausgerichteten Forschungsprojekts NAKI, das in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Sozialstudien der Masaryk-Universität in Brünn und dem Technischen Nationalmuseum in Prag durchgeführt wurde.
Die Ausstellung soll zusammen mit dem gleichnamigen Begleitkatalog für die Besucher der Stadt Zlín eine Hilfestellung sein nachzuvollziehen, wie die Wohnungspolitik des Schuhunternehmens Baťa in der Zwischenkriegszeit funktioniert hat. In der Ausstellung wird aufgezeigt, wie die Firma Wohnen und Lebensstil ihrer Beschäftigten organisierte, welcher Art die Architektur und die Technologien des Baus von Arbeiterhäusern war und wie anhand einer Standardisierung und Typisierung der streng gesteuerte und geplante Prozess ihrer Errichtung ablief. Die Aufmerksamkeit wird auch auf die fest vorgegebenen administrativen Abläufe bei der Zuteilung von Mietshäusern, auf die Regeln ihrer Nutzung bzw. auf die Kontrollmechanismen der Wohnungsabteilung gerichtet. Neben der konkreten Erfahrung, sich in der Umgebung eines originalen Baťa-Hauses bewegen zu können, ermöglicht es die Ausstellung auch ansonsten schwer verfügbare Archivmaterialien zu studieren wie etwa von der Firma erstellte Baustatistiken für jedes neue Objekt mit Angaben über Baustoffe, Preise und Dispositionen, Fragebögen und Wohnungsanträge, Empfehlungen von bekannten Mitarbeitern und Formulare, in denen die Mieter selbst und wie sie wohnen ausgewertet werden. In den Räumlichkeiten des Infopoints Wohnen zu Zeiten Baťas wird gleichzeitig die Vielfalt der einzelnen Wohnungstypen, ihre Spezifika und Varianten einer jeweiligen Zeit anschaulich vorgestellt. Eine Serie von Originalfotografien von Libor Stavjaník und authentische Elemente in der Ausstellung machen es möglich, sich mit den Originaldetails von Holzfenstern, Geländern oder Türen vertraut zu machen, die aus den Wohnkolonien infolge moderner Eingriffe fast ganz verschwunden sind.
KE