Ledigenheime
49.2185069N, 17.6571514E
Die Firma Baťa hat in der Zwischenkriegszeit die Untberbringung der Beschäftigten nach mehreren Ebenen kategorisiert – nach Alter, Familienstand und Tätigkeitsbereich. Verheiratete Beschäftigte konnten an Wohnungen in selbständigen Häusern unterschiedlicher Größe und Disposition kommen, die nach und nach in den Firmenvierteln gartenähnlichen Charakters errichtet wurden. Für die jüngsten und am wenigsten qualifizierten Arbeiter waren Massenunterkünfte vorbehalten, zunächst in provisorischen Wohnheimen, ab Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts dann im emporwachsenden selbständigen Internatsviertel in der Nähe des Platzes der Arbeit.
Die Unterkünfte für erwachsene ledige Arbeiter stellten eine Zwischenstufe zwischen dem in den Internaten streng organisierten Lebensstil junger Männer und junger Frauen und den freieren Formen der Wohnmöglichkeiten für Familien dar. Aber auch sie waren nicht frei von Einschränkungen. Wer ein Firmenhaus beantragte musste einen strengen Auswahlprozess durchlaufen, klar vorgegebene Wohnregeln einhalten und die Aufsicht der Unterkunftsabteilung ertragen. Jüngere Beschäftigte ohne Familie, die in der Firmenhierarchie für gewöhnlich eine bessere Position einnahmen, also Büroangestellte, Lehrer und Ärzte, ggf. auch verheiratete Arbeiter, die nicht täglich aus den umliegenden Siedlungen zur Arbeit kommen konnten, wurden zunächst in einzelnen Familienhäusern untergebracht, die für mehrere selbständige Personen hergerichtet worden waren. Im Einklang mit der zeilstrebigen Entwicklung einer firmeneigenen Bautypologie stellte sich Ende der zwanziger Jahre ein Moment ein, in dem speziell für sie eine neue Form des Wohnens entdeckt wurde – die Ledigenheime.
Die architektonische Form der Ledigenheime ergab sich organisch aus der Häuserform in den Familienvierteln. Die unterkellerten rechteckigen zweigeschossigen Objekte mit Flachdach wurden von der Bauabteilung der Firma Baťa als reproduzierbare Standardtypen realisiert, die sich in Disposition, Anzahl der Zimmer und Betten bzw. durch ergänzende Ausstattung voneinander unterscheiden konnten. Von der Baumasse her erinnern sie jedoch immer an die Baťaschen Viertelhäuser, von denen sie auch die Ausführung ihrer Fassaden übernehmen.
Die durch unverputzte Backsteine charakterisierten glatten Fassaden werden in regelmäßigem Rhythmus von Doppelfenstern aus Holz mit Lüftungsoberlicht und hellem Fenstersturz durchbrochen. Der Eingang in die Ledigenheime wurde zumeist in die Mitte gesetzt, von wo aus ein einfaches Treppenhaus ins Obergeschoss führte, das bei einigen Typen durch einen langen Fensterstreifen und bei anderen nur durch ein einfaches Fenster beleuchtet wurde.
Mit dem Bau von Ledigenheimen wurde im Wohnviertel Letná begonnen, wo Anfang der dreißiger Jahre eine Serie ähnlicher Objekte emporwuchs. Angesiedelt wurde sie besonders am südöstlichen Rand des Viertels um die Straßen Vysoká, Na Vyhlídce und Mostní. Auch in den darauffolgenden Jahren waren Ledigenheime anzutreffen, die auch in anderen Wohnzonen in Zlín und in den Firmenfilialen außerhalb der Stadt entstanden, am häufigsten in den Randpartien der jeweiligen Wohnzonen (jedoch nicht ausschließlich, es existieren auch Ledigenheime, die ins Zentrum einer Wohnbebauung hineingewachsen sind).
Der frühe Ledigenheimtyp, der in Letná am häufigsten vorkommt (z.B. Vysoká 2094, Lipová 1761), bot Raum für insgesamt 26 Arbeitskräfte, die in 11 Zweibett- und 4 Einbettzimmer untergebracht werrden konnten (5 Zweibett- und 2 Einbettzimmer im Erdgeschoss, im Obergeschoss 6 Schlafzimmer für zwei Personen und 2 Einzelzimmer). Die nüchterne, jedoch sehr komfortable Einrichtung der Schlafzimmer bestand aus einfachen Holz- und Stahlrohrmöbeln. Drei Toiletten und ein Bad mit Badewanne waren bei diesem Ledigenheimtyp für alle gemeinsam, und zwar nur im Erdgeschoss. Gegenüber den Internaten, in denen sich 10 und mehr Schüler ein Zimmer teilten, boten die Ledigenheime spürbar angenehmere Lebensbedingungen, die dem Alter und der Stellung der Angestellten jeweils entsprachen. Im Erdgeschoss befand sich außerdem noch eine Zweizimmerwohnung für den Hausmeister und im Obergeschoss wiederum die Räumlichkeiten eines Gemeinschaftsclubraums.
In den Zwischenkriegsjahren hat man eine Reihe von Varianten mit geringerer Schlafzimmerzahl, größerer Wohnfläche, einer Küche im Erdgeschoss (U zimního stadionu 1759, 1760) und dem Treppenhaus in der Ecke oder mit doppeltem Sanitärbereich in jedem Stockwerk (Otrokovice-Baťov) und in einigen Fällen auch auf den Zimmern realisiert. Ende der dreißiger Jahre entwarf der Architekt Vladimír Karfík vier modernisierte Ledigenheime für die Wohnkolonie Dily, die er ganz ins Zentrum des Viertels in die Nachbarschaft des zentralen Gemeinschaftshauses setzte.
Die zur Straße gewandten Gebäudeecken hat er im Erdgeschoss mit großzügigen eleganten und mit Markisen versehenen Schaufenstern ausgestattet. Dadurch kombinierte er die Wohnfunktion der Ledigenheime mit öffentlich zugänglichen Einkaufsflächen und ergänzenden Dienstleistungen. Auf diese Weise belebte er die im Baťaschen Zlín der Zwischenkriegszeit nicht allzu übliche Typologie des Etagenwohnens mit einem Geschäftsparterre.
Die architektonische Form der Ledigenheime in Letná ist auch heute zumeist noch sehr gut zu erkennen, einige von ihnen befinden sich in einem fast ursprünglichen Zustand mit erhalten gebliebenen Holzelementen der Fenster und der Fassaden (U zimního stadionu 2086). Die meisten von ihnen dienen nach einer Adaption der Innenräume immer noch als Wohnobjekte, bisweilen durchsetzt von Arztpraxen oder Privatbüros. Die größte Wandlung hat die direkte Umgebung der Ledigenheime durchgemacht, anstelle der einstigen zur Erholung dienenden Gartenflächen sehen wir dort häufig sehr unschmeichelhaft ungepflegte Parkplätze.
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