Das Familienhaus Nr. 795 an der Schnittstelle der Straßen Hluboká und Prlovská entstand durch den Anbau eines Hofflügels zu einem Erdgeschossgebäude (von 1922), dass als Unterkunft für Ziegelbrenner diente. Im Jahr 1932 wurde es umgebaut und nach den Plänen des Baumeisters Josef Winkler vergrößert. Zwei Wohneinheiten im ersten Stock wurden im Erdgeschoss von einer dritten Wohneinheit und von Betriebsräumen ergänzt, bei denen es sich um eine Werkstatt, eine Waschküche und um Kellerräume handelte. Im Jahr 1933 hat man eines der Erdgeschosszimmer als Geschäftsraum genutzt. Eine der Mietwohnungen wurde Mitte der dreißiger Jahre von den Brüdern Knesl bewohnt, die in der Firma Baťa beschäftigt waren.
Die Abfassung des Lebenslaufs des Interbrigatisten M. Knesl wird, besonders was dann die Rekonstruktion seiner letzten Lebensjahre betrifft, durch die geringe Menge authentischer Quellen aus jenem Zeitraum erschwert. Verfügbar sind jedoch Eintragungen in den Zlíner Nachkriegschroniken, die zum Gedenken an seine Kriegsaktivitäten aufgezeichnet wurden. Auch kann man die archivierten Erinnerungen seiner Mitkämpfer studieren, die überlebt haben. Beim Durchblättern der zeitgenössischen Zeitungen findet man wiederum Artikel, die an Jubiläumstagen seinen Heldenmut feierten. Neuerdings existieren auch Internetseiten, die seinem Kampfeinsatz gewidmet sind.
Trotz der unterschiedlichen Qualität der Quellen und der faktographischen Widersprüche wird am häufigsten folgende Geschichte in gedrängter Form widergegeben: Miloslav Knesl, ein Arbeiter der Firma Baťa, schnappte eine Aufforderung zur Verteidigung der von aufständischen Einheiten des Generals Francisco Franco überfallenen spanischen Republik auf und reiste im Oktober 1936 mit falschem Pass nach Spanien. Dort schloss er sich nach und nach an mehreren Fronten den Kämpfen an. Bei einer Militäroperation seiner Partisaneneinheit zur Rettung von mehreren Hundert gefangener Frauen und Kinder wurde er im Sommer 1938 schwer verwundet, von den Putschisten gefangen genommen und im südspanischen Sevilla anschließend mit einer mittelalterlichen Würgschraube – der Garrotte – öffentlich hingerichtet.
Wenn man jedoch die Splitter der zeitgenössischen Informationen sorgfältig zusammenfügt, bringt dieses Bild nach und nach eine beträchtliche Problematik mit sich. Der Interbrigadist Knesl hieß nicht Miloslav, er reiste nicht im Herbst 1936 nach Spanien, nahm an keiner Rettungsoperation von Frauen und Kindern teil und wurde, wen wundert’s, auch nicht am 6. September 1903 geboren, wie am Befreiungsdenkmal im Zlíner Komenský-Park angegeben wird. Trotz dieser Feststellungen verliert seine Geschichte nicht an Dramatik, und sein Auftreten im spanischen Bürgerkrieg mit der Waffe in der Hand gegen Diktator Franco ist nicht minder inspirierend.
Miloš Knesl (* 31. 10. 1908), sein ein Jahr älterer Bruder Jaromír (* 16. 8. 1907) und der einige Jahre jüngere František (* 30. 10. 1911) wurden in die Familie von František und Marie Knesl hineingeboren, die in der Straße Husova třída Nr. 40 in Jaroměřicí nad Rokytnou eine Bäckerei und einen Mehl- und Getreideladen betrieben. Das Leben beider älteren Brüder war von Jugend auf eng miteinander verbunden, und diese Bande hat sie bis zu Milošs vorzeitigem Tod begleitet.
Ihre Kindheit verbrachten die Brüder Knesl in ihrem Geburtsort Jaroměřice, wo sie auch die Schule besuchten. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre zog die Familie nach Znojmo. Die heranwachsenden Jaromír und Miloš, beide gelernte Müller, haben sich in jener Zeit nach und nach selbständig gemacht. Jaromír treffen wir Ende 1929 zunächst in der Mühle der Brüder Rychnovský in Luka nad Jihlavou an, von wo er im Februar 1930 nach Österreich wegging. Miloš hielt sich Ende der zwanziger Jahre abwechselnd im Geburtsort Jaroměřice und in Prag auf, wo er sich im Januar 1928 bei der Magistratsbehörde seine Konvertierung von der römisch-katholischen Kirche zur tschechoslowakische Kirche amtlich bescheinigen ließ.
Das Verhältnis der einzelnen Familienmitgliedern zur Religion zeigt den Grad des liberalen Umfelds bei den Knesls auf. Während Mutter Marie Kneslová römisch-katholisch blieb, hat Vater František praktisch direkt nach Formung der nationalen tschechoslowakischen Kirche im Januar 1921 die Ämter um Immatrikulation in deren Reihen ersucht. Sieben Jahre später folgte ihm auch der mittlere Sohn Miloš in dieselbe Kirche. Der jüngste Sohn František hingegen verließ die römisch-katholische Kirche im Jahr 1931 und blieb konfessionslos. Der älteste Sohn Jaromír ließ sich denselben Schritt im Februar 1936 vom Bezirksamt in Zlín bescheinigen.
Die Schicksale der Brüder Knesl begannen sich Anfang Dezember 1930 an Zlín anzunähern, als Miloš, der das Müllerhandwerk gelernt hatte, in die Firma Baťa eintrat. Jedoch hat er sich nicht besonders stark an den Konzern gebunden und nach nicht ganz drei Jahren im Oktober 1933 in der Firma die Kündigung eingereicht. Jaromír hingegen, der im August 1931 nach Zlín gekommen war, beabsichtigte, wie es zumindest am Anfang schien, seine berufliche Laufbahn mit dem weltweit agierenden Konzern langfristig zu verbinden. Als eingearbeiteter Arbeiter war er in den weiteren fünf Jahren nicht nur in der ostmährischen Metropole tätig, sondern wurde vom Unternehmen als Ausbilder in neu gegründete ausländische Filialen des Konzerns geschickt. Im Dezember 1933 reiste er zu einem einjährigen Arbeitsaufenthalt in die britische Baťa-Fabrik nach East Tilbury bei London. Nach weiteren drei Jahren in den Zlíner Betrieben fuhr er im März 1935 wieder für einen längeren Aufenthalt nach Best in die niederländische Filiale des Konzerns.
Der Herbst 1935 ist mit einem zweiten Aufenthalt von Miloš Knesl in der Baťa-Metropole verbunden. Miloš zog am 10. September zu seinem Bruder Jaromír, der in der Straße Hluboká Nr. 795 bei Karel Branč zur Untermiete wohnte. Damals arbeitete Jaromír als Arbeiter in der Spielzeugabteilung der Gummiwerke der Firma Baťa. Nach Zlín war Miloš aus Prag-Vršovice gezogen, wo er in der Holzhandlung Knesl des Vaters gearbeitet hatte. In die Firma Baťa trat er am 5. November 1935 ein.
In der zweiten gemeinsamen Zlíner Etappe haben sich die Brüder Knesl nachweislich in der Bewegung der politischen Linke engagiert. Beide sollen Mitglieder der kommunistischen Partei gewesen und wegen ihrer politisch linksorientierten Aktivitäten ins Visier der Zlíner Polizeibehörde gekommen sein, die das von der überwiegend aus Baťa-Kandidaten bestehenden Stadtvertretung kontrollierte Sicherheitsorgan der Stadt war. In dem Bestreben, die Mitglieder linker Kreise auszumachen, nahm die Polizei eine Großfahndung auf, die in dem Überfall der Tramphütte des ehemaligen Baťa-Beschäftigten Zdeněk Mencl im Katastergebiet von Ludkovice am Sonntag, dem 20. September 1936 um vier Uhr morgens ihren Höhepunkt fand.
Ergebnis der Durchsuchung der acht anwesenden Schlafgäste war die Beschlagnahme von sechs Fotos mit Szenen des spanischen Bürgerkriegs und einigen kommunistischen Broschüren, sowie, nachdem ihre Identität festgestellt worden war, die direkte Entlassung dreier Beteiligter aus der Firma Baťa „wegen schlechter Arbeit“. Neben beiden Brüder Knesl handelte es sich noch um den ebenfalls aus Jaroměřice nad Rokytnou stammenden František Fiala. Am Tag darauf erfolgte in der Wohnung der Knesls eine Hausdurchsuchung, die die Einbehaltung einer Ansichtskarte von einer Sammelaktion zugunsten der spanischen Jugend erbrachte.
Das Schicksal des republikanischen Spaniens war, wie die wiederholte Sicherstellung spanischer Materialien zeigt, Miloš Knesl nicht gleichgültig. Nach einer kurzen Zwischenzeit, die er in der Familie des jüngsten Bruders im Prager Stadtviertel Záběhlice verbrachte, der mit Holz und Kohlen handelte, kehrte Miloš nach Zlín zurück. Dort ließ er aufgrund seiner wohlwollenden Haltung bei der Ausstellung von Reisedokumenten Anfang Januar 1937 beim Bezirksamt seinen Reisepass mit der Genehmigung für alle europäischen Länder verlängern und reiste noch im selben Monat ins republikanische Spanien.
Vor Ort wurde er der gerade gebildeten MG-Kompanie von Jan Žižka aus Trocnov im Bataillon Dimitrov zugeteilt, das Teil der XV. internationalen Brigade war. Das Bataillon wurde an der Jarama-Front südöstlich von Madrid eingesetzt. Die schlechtbewaffneten Einheiten mit unzulänglicher militärischer Ausbildung wurden bei einer Offensive der frankistischen Armee größtenteils zerstreut zund vernichtet. Bereits im Februar 1937 erlitt Knesl leichte Verletzungen, als er den schwerverwundeten Politkommissar der Kompanie Jaroslav „Ruhm“ Tichý rettete. Einen Monat lang kurierte er sich im Feldlazarett aus, worauf ein Genesungsaufenthalt in dem Küstenstädtchen Vinaròs folgte.
Nach seiner Genesung absolvierte er einen Spezialkurs in der Offiziersschule Pozo Rubio beim Stützpunkt der internationalen Brigaden in der Stadt Albaceta, wonach er den Partisaneneinheiten zugeteilt wurde, die im Hinterland der Putschisten agierten. Zunächst operierte er in der Umgebung der Stadt Talavera in der mittelspanischen Provinz Toledo, im Januar 1938 wurde Knesls Einheit in Kämpfen bei Barcelona eingesetzt. Im April 1938 wurde er Leutnant und wurde mit der von ihm kommandierten Einheit nach Südspanien gesandt. In seinem Operationsabschnitt nördlich der Stadt Motril sollte er die nach Madrid führende Straßen- und Bahninfrastruktur zerstören.
Gemäß einer der tradierten Versionen, die im Abstand eines Jahrzehnts in der kommunistischen Presse veröffentlicht wurde, habe Knesl an einer Rettungsaktion im Hinterland des Feindes teilgenommen, bei der an die 400 Gefangene befreit wurden, einschließlich Frauen und Kindern, dabei sei er selbst schwer verletzt und gefangen genommen worden. Diese Version, hinter der sich die Geschichte von der im Mai 1938 erfolgten Einnahme der Festung Fort Carchuna in der Region von Grenada verbirgt, wurde von seinem direkten Mitkämpfer Alois Samec dementiert. Laut ihm sei Knesls Einheit von einem spanischen Führer verraten und vom Feind umzingelt und liquidiert worden. Miloš Knesl habe bei dieser Operation schwere Verletzungen erlitten, sei in Gefangenschaft der Putschisten geraten, die ihn anschließend auf dem Marktplatz von Sevilla öffentlich hingerichtet haben. Die Art und Weise seiner Hinrichtung ist aber nicht bekannt. Einer seiner Mitkämpfer war für gewisse Zeit auch Jaroslav „Jarin“ Hošek, der zur in der Hütte in Ludkovice kontrollierten Gruppe gehörte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Miloš Knesl für das Tschechoslowakische Kriegskreuz 1939 in Memoriam vorgeschlagen. Anlässlich des dreißigjährigen Jahrestags der Entstehung der Interbrigaden wurde im Jahr 1966 am Haus Nr. 795 in der Zlíner Straße Hluboká eine Gedenktafel enthüllt. Zum Gedenken an seine militärischen Aktivitäten im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Verteidiger der Republik trägt eine Straße im Zlíner Viertel Bartošova čtvrť seit demselben Jahr seinen Namen.
Wenden wir uns aber nochmals seinen älteren Geschwistern zu. Die oben erwähnte gemeinsame Verbundenheit der Brüder Knesl und die tiefere Verankerung Jaromírs im Zlíner Umfeld führten mit der Zeit wahrscheinlich auch zur Umbezeichnung von Milošs Namen zu Miloslav, der schließlich auch in den öffentlichen Raum gelangte (Zlíner Denkmal, Chronik u.a.). Von Miloš, der von seinen Zlíner Freunden familiär Mila genannt wurde, und von Jaromír, den man Slávek nannte (bei einer der regelmäßig durchgeführten Volkszählungen wird er als Jaroslav! aufgeführt), genügte ein kleiner Schritt, damit Miloš in späteren historischen Aufzeichnungen als Miloslav beschrieben wurde. Auf ähnliche Weise decken sich die Schilderungen von Milošs Leben in einigen Details mit Jaromírs Tätigkeiten und machen bisweilen auch Anleihen aus dessen Schicksal.
Während sich Miloš in Spanien engagierte, gelangte der ältere Bruder Jaromír, der Zlín nicht verlassen hat, wegen seiner politisch linken Haltung für immer ins Visier des Sicherheitsapparates. In den darauffolgenden Jahren hat er Vorladungen, Verhöre, Hausdurchsuchungen und Sicherstellung durch Haft von der Vorkriegspolizei, der deutschen Gestapo und auch der Nachkriegsuntersuchungskommission ONV gleich mehrfach durchgemacht.
Die Schicksale der Brüder Knesl haben sich auch nach Milošs Tod noch einmal dramatisch gekreuzt. Vor Weihnachten 1944 wurde Jaromír von der Zlíner Gestapo vorgeladen und von ihr wegen Verdachts der Teilnahme in den spanischen Interbrigaden verhört. Erst beim Verhör kam zutage, dass Jaromír wieder mit Miloš verwechselt wurde.
MM
Miloš Knesl
Geburtsdatum: 31. 10. 1908
Vorübergehender Wohnsitz: Hluboká 795, Zlín
Ständiger Wohnsitz: Jaroměřice nad Rokytnou, č. p. 40
Aufenthalt in Zlín: 1930–1937 mit Unterbrechung in den Jahren 1933–1935
Abfahrt nach Spanien: Januar 1937
Mutmaßliches Sterbedatum: 28. 7. 1938
Jaromír Knesl
Geburtsdatum: 16. 8. 1907
Vorübergehender Wohnsitz: Hluboká 795, Zlín
Ständiger Wohnsitz: Znojmo, Nr. 8
Beschäftigung in Firmen des Baťa-Konzerns: 18. 8. 1931 – 25. 9. 1936, 13. 5. 1942 – 26. 10. 1948
Quellen und Literatur:
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Třebíč, Arbeitsstätte Moravské Budějovice, Bestand Knabenvolksschule Jaroměřice n. Rokytnou, Inv.-Nr. 135, 144, 151, 152, 153.
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Jihlava, Bestand Archiv der Gemeinde Luka nad Jihlavou, Inv.-Nr. 18, Meldungen von Reservisten.
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Zlín, Bestand Baťa, a. s., Zlín, Sign. II/2, Kart. –, Inv.-Nr. 7a und Inv.-Nr. 8a, Einstellungsbücher, Knesl Miloš, Nr. 56021 und Knesl Jaromír, Nr. 64491.
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Zlín, Bestand Archiv der Stadt Zlín, Inv.-Nr. 1118 (Kart. 581 – Fiala František, Kart. 585 – Knesl Jaromír, Kart. 589 – Mencl Zdeněk)
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Zlín, Bestand Bezirksamt Zlín I., Buch 19, Passevidenz, Nr. 5 / 1937.
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Zlín, Bestand Bezirksnationalkomitee Zlín I. – Strafuntersuchungskommission, Kart. 30, Nr. 1183.
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Nationalarchiv in Prag, Bestand Polizeidirektion Prag II – allgemeine Registratur 1931–1940, Kart. 7556, Sign. K1953/10 Miloš (Knesl Miloš) und Kart. 7556, Sign. K1953/16 (Knesl František d. Ältere).
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Nationalarchiv in Prag, Bestand Polizeidirektion Prag II – Bevölkerungsevidenz, (Knesl Miloš, Knesl František d. Ältere, Knesl František d. Jüngere).
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Pamětní deska hrdinovi. Naše Pravda, 4. 10. 1966, S. 1.
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Třebíč, Bestand Bezirksamt Moravské Budějovice, Ablegeeinheit Nr. 682, Acquisitionsnr. 1 – Zählungsoperat 1910: Jaroměřice nad Rokytnou, Husova třída, Nr. 40 (aufgerufen am 17. 11. 2023: https://www.mza.cz/scitacioperaty/digisada/detail/16440?image=226104010-000393-000173-000932-000682-01-MB0227-01220.jp2 ).