Die Verfolgung von Personen, die vom NS-Regime als Juden bezeichnet wurden, umfasste eine breite Palette gesetzlicher, propagandatechnischer, sicherheitspolitischer, wirtschaftlicher und weiterer Mittel und Methoden. Diese erschwerten auch das tägliche Leben ihrer gegebenenfalls nicht-jüdischen Partner und Partnerinnen, die damals als „Arier“ bezeichnet wurden. Dem dabei ausgeübten Druck haben einige von ihnen nicht standgehalten und sich scheiden lassen. Ihre jüdischen Gegenüber waren dann ebenso wie die übrige jüdische Bevölkerung einer grausamen Behandlung ausgesetzt. Jüdische Partnerinnen und jüdische Partner in sog. Mischehen waren hingegen viel länger vor der tödlichen Bedrohung der Shoah geschützt. Ab Mitte 1944 wurden jedoch auch Juden aus Mischehen und sog. jüdische Mischlinge in die Konzentrationslager geschickt. In tschechischer Umgebung am haufigsten ins Ghetto Theresienstadt, ihre nicht jüdischen Ehefrauen und nicht jüdischen Ehemänner endeten in Internierungslagern (Prager Lager Hagibor).
Zora Braunová wurde im Jahr 1914 in der slowakischen Stadt Želiezovce in die Familie eines Bahnbediensteten und einer Hausfrau geboren. Die ersten Lebensjahre zog die Familie häufig in ungarische Gemeinden in der Südslowakei um. Wegen einer schweren Krankheit ihrer Mutter hat sie einen Teil der Kindheit auch bei Verwandten in Ungarn verbracht. Als sich die Familie in Bratislava niederließ besuchte sie das dortige Gymnasium und wurde Mitte der dreißiger Jahre an der juristischen Fakultät der Komenský-Universität von Bratislava angenommen. Dort begegnete sie den ersten politischen Konflikten zwischen Anhängern der nationalistischen Volkspartei Hlinkas und linken Sympathisanten der kommunistischen Partei.
Ihr Partner Vilém Morýs, der Elektrotechniker war, hatte einen wesentlichen Einfluss auf ihr politisches Bewusstsein. Als sie sich kennenlernten arbeitete er als Inspektor für die Beleuchtung des Slowakischen Nationaltheaters und war gleichzeitig an der Kunstgewerbeschule als Fachlehrer tätig. Gegen den Willen der Eltern hat Zora Braunová im Juli 1939 ihren Freund geheiratet. Inzwischen war sie während den staatsrechtlichen und den damit verbundenen politischen Veränderungen 1938 von der Universität ausgeschlossen worden.
Im April 1939 zog das Paar nach Prag, wo Vilém als Beschäftiger der Baťa-Hilfswerke in den im Prager Stadtviertel Hostivař gegründeten Filmstudios die Arbeit eines Hilfselektrotechnikers verrichtete. Nach der Liquidation des Studios Hostivař wechselte er im Sommer 1940 in die Zlíner Filmstudios von Baťa, wo er als 1. Tonmechaniker eingestellt wurde. Nach kurzer Zeit wurde der Familie, nachdem sie in einer Garsoniere des Hotels Gemeinschaftshaus gewohnt hatten, eine Wohnung in einem firmeneigenen Haus im Zlíner Stadtteil Podvesná zugeteilt. Das Standard-Doppelhaus mit Flachdach war 1929 fertiggestellt worden und bot den Eheleuten eine moderne Dreizimmerwohnung mit Garten.
Wegen der jüdischen Abstammung seiner Ehefrau musste Vilém Morýs in einer weniger qualifizierten Stellung arbeiten, während des Krieges war er im Zlíner Kraftwerk als Elektromechaniker tätig. Noch schlimmer ist es Zora ergangen, die trotz ihrer juristischen Ausbildung und Kenntnis der französischen, deutschen, englischen und französischen Sprachen auf Beschluss des Zlíner Arbeitsamtes nur manuelle Arbeiten verrichtete. Zunächst wurde sie 1943 in der Firma Baťa als Waldarbeiterin eingesetzt, später wechselte sie in eine Obstbauschule. Im Jahr 1944 musste sie in dem Gartenbaubetrieb von Ladislav Pečiva manuelle Arbeiten verrichten.
Die existenzielle Unsicherheit der Familie stärkte die Befürchtung über Zoras slowakische Verwandten. Auf ihre Familie bezogen sich die antisemitischen Gesetzte des autoritären slowakischen Staates. Während des Krieges wurden die Brauns, wie es in der damaligen Propaganda hieß, „in den Osten umgesiedelt“. Nach dem Krieg kam zutage, dass sie ins Vernichtungslager Auschwitz transportiert und dort ermordet worden waren.
Im Herbst 1944 kam die Ankündigung, auch Zora Morýsová einem Transport zuzuordnen. Sie gehorchte der Anordnung nicht und verbarg sich bis Kriegsende ohne Dokumente auf dem Bauernhof, auf dem sie arbeitete, in der Illegalität. Wegen Missachtung des Befehls wurde ihr Ehemann gefangengenommen und mehrere Monate inhaftiert. Vor Kriegsende wurde er mit dem Befehl, Zwangsarbeit zu verrichten, entlassen.
Für die Eheleute Morýs war die Gefahr erst mit dem Sturz des NS-Regimes vorüber. Zora Morýsová absolvierte nach dem Krieg einen bibliothekarischen Kurs und begann in der Stadtbibliothek von Zlín zu arbeiten. Im Frühjahr ging sie in Mutterschaftsurlaub und blieb zwei Jahre lang zuhause. Im Jahr 1948 trat sie in Zlín dem Kreiskomitee der tschechoslowakischen kommunistischen Partei bei, wo sie als sog. literarische Vertrauensfrau für die Organisation der Bibliotheken im Landkreis zuständig war.
Vilém Morýs stieg als Vorkriegsmitglied der kommunistischen Partei in der wiederaufgebauten Republik Tschechoslowakei schnell auf der politischen Karriereleiter auf. Im Juni 1945 wurde er Vorsitzender des Örtlichen Nationalkomitees von Groß-Zlín, was dem Vorkriegsamt des Oberbürgermeisters der Stadt gleichkam. Seine Position nutzte er dazu, sich im östlichen Teil der Stadt für den Bau von Nachkriegswohnhäusern einzusetzen.
Binnen weniger Jahre haben die Eheleute Morys in ihrem Leben somit eine Wende erlebt: von der täglich durchlebten existenziellen Gefahr unter dem Naziregime zu einem schnellen Aufstieg unter den politischen Repräsentanten der Industriestadt der Nachkriegszeit. Für die Person von Vilém Morýs bedeutete dies auch seine persönliche Beteiligung an der illegalen Übernahme der Stadtverwaltung durch kommunistische Parteimitglieder in den Februartagen 1948. Der gesellschaftliche Aufstieg schlug sich auch in ihren sozialen Verhältnissen nieder. Im Jahr 1946 bezog die Familie Morýs eine bessere Wohnung in der Straße Kvítková. Die Familienidylle wurde jedoch durch einen Autounfall abrupt beendet, bei dem Vilém Morýs Anfang Dezember 1948 auf einer Dienstreise tragisch ums Leben kam.
Nach dem Tod ihres Mannes begann Zora Morýsová im März 1949 im Unternehmen Svit als Bibliothekarin zu arbeiten. Damals lebte sie in einem Wohnhaus in der damaligen Stalinstraße 1285 (heute Třída Tomáše Bati). Dabei handelte es sich um eine von zwei Wohnanlagen, für die sich die Bezeichnung Morýs-Häuser etabliert hat. Wie der Name schon verrät, trugen sie den Namen nach Zoras verstorbenem Mann. Ab 1953 arbeitete Zora Morýsová als Erzieherin der industriellen Jugend. Nach ihrer Pensionierung im Jahr 1972 zog sie nach Prag. Ende der siebziger Jahre bewarb sie sich um eine Stelle bei den Kustoden- und Fremdenführerdiensten der Prager Burg.
MM
Zora Morýsová
Datum und Ort der Geburt: 28. 11. 1914, Želiezovce
Geburtsname: Zora Braunová
Vorübergehender Wohnsitz: Podvesná XV 1469, Zlín
Ständiger Wohnsitz: Frýdlant nad Ostravicí
Ankunftsdatum in Zlín: August 1940
Ausgeübte Arbeit: 1943–1944 – Zwangsarbeit, 1944–1945 – Illegalität, 1945 – Bibliothekarin
Vilém Morýs
Datum und Ort der Geburt: 27. 4. 1904, Vítkovice
Vorübergehender Wohnsitz: Podvesná XV 1469, Zlín
Ständiger Wohnsitz: Frýdlant nad Ostravicí
Ankunftsdatum in Zlín: August 1940
Ausgeübte Arbeit: 1940–1945 – Elektromechaniker, 1945–1948 – Vorsitzender des Örtlichen Nationalkomitees
Sterbedatum: 3. 12. 1948
Quellen und Literatur:
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Zlín, Bestand Baťa, a. s., Zlín, Sign. II., Kart. 1084, Inv.-Nr. 42, Acquisitionsnr. 6, Beschäftigtenkarte: JUC. Morysová Zora.
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Zlín, Bestand Baťa, a. s., Zlín, Sign. II/2, Kart. 1038, Inv.-Nr. 20, Acquisitionsnr. 8, Beschäftigtenkarte: Morys Vilém.
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Mährisches Landesarchiv in Brno, Staatl. Bezirksarchiv Zlín, Bestand Baťa, a. s., Zlín, Sign. II. (nicht inv.), Evidenzkärtchen: Morýsová Zora.
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Archiv des Jüdischen Museums in Prag, Sammlung Varia, Kart. 21, Kartothek Arbeitsamt in Zlín.
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Arolsen Archives, 1 Incarceration Documents / 1.1 Camps and Ghettos / 1.1.42 Ghetto Theresienstadt / Signatur 11422001, Dokumentnr. 177414 – Zentralkartothek – Transporte: Zora Morys (aufgerufen am 17. 12. 2023: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/5066334?s=5066334&t=2547160&p=0 ).