Viertelhäuser mit unverputzter Fassade
In der ersten Hälfte der zwanziger Jahre intensivierte die Firma Baťa ihre Aktivitäten im Bereich ihrer Unterbringungspolitik und realisierte gleich mehrere Varianten des Wohnumfelds für Beschäftigte (Reihenhäuser mit Mansardendach, Viertelhäuser mit Mansardendach, verputzte Viertelhäuser mit Mansardendach Typ A, B). Diese frühe experimentelle Bauphase brachte wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse mit sich, die zur Formung des architektonischen Aussehens und der bautechnologischen Lösung der Firmenwohnungen für die weiteren zwei Jahrzehnte führten.
Zum umwälzenden Wohntyp wurde schließlich das unverputzte Viertelhaus, das erstmals im Viertel Letná gebaut wurde. Das Haus mit vier gleichen Wohneinheiten und selbständigen Eingängen wurde erstmalig in einer Serie von über 200 standardisierten Ausführungen repliziert. In den Jahren 1926–1927 füllten diese Viertelhäuser besonders den unteren Teil des abfallenden Geländes von Letná, d.h. die dichter an die Fabrik angrenzenden Viertel um die Straßen Mostní, Kotěrova und Vysoká. Der Bauabteilungsleiter František Lýdie Gahura knüpfte dabei eng an den Entwurf seines Lehrers Jan Kotěra an, der ein Jahrzehnt zuvor schon das Konzept eines Arbeiterviertels mit Gartencharakter vorgelegt hatte. Die einzelnen Viertelhäuser mit Flachdach sind entsprechend den Höhenlinien gedreht. Aufgrund dessen berühren die Häuser die Straßenflucht mit nur einer Hausecke und reagieren individuell auf die Geländeneigung, wodurch eine Kostenersparnis bei baulichen Veränderungen und wirkungsvolle Anblicke erzielt wurden, mit denen einer möglichen visuellen Eintönigkeit der Kolonie entgegengewirkt wurde.
Die unterkellerten Viertelhäuser wurden als rechteckige Objekte mit den Maßen 14,75 × 8,90 m und doppelten Eingängen an den kürzeren Seiten entworfen. Die Fassaden der Häuser blieben frei und wurden diesmal mit keiner Putzschicht versehen. Das Rot der unverputzten Backsteine kontrastiert mit den weißen Rahmen der einfachen, in quadratischen Scheiben organisierten Fenster (jeweils zwei pro Etage + ein kleineres Küchenfenster) und dem Betonsockel. Die Disposition der Häuser basiert auf dem früheren, verputzten Viertelhaus, erlitt aber eine noch größere Vereinfachung dadurch, dass die aus der Baumasse des Hauses hervorspringenden Vorräume weggelassen wurden. Jede Einheit verfügt im Erdgeschoss über eine kleine Küche, ein Wohnzimmer, ein Bad mit Badewanne und Toilette und über eine Speisekammer. Der Sanitärbereich wurde wegen des zur Mitte hin abfallenden Daches absichtlich in den zentralen Teil des Hauses gelegt. Das Obergeschoss war über eine Treppe zugänglich, die an der schmaleren Seite des Objektes entlang führte und direkt im Schlafzimmer mündete. Dieses konnte ggf. in zwei kleinere Zimmer unterteilt werden.
Um eine bestmögliche Schnelligkeit und Effizienz des Baus zu erzielen, war der ganze Realisationsprozess streng durchdacht und wurde bis ins kleinste Detail organisiert und geplant. Details wie Eingangstür, Fensterrahmen oder Treppengeländer waren für alle Häuser typisiert.
Die Viertelhäuser boten binnen zwei Jahren eine steile Erhöhung der Wohnkapazitäten im Besitz des Unternehmens, was in der Zeit eines wesentlichen Wirtschaftswachstums von außerordentlicher Wichtigkeit war. Bald hat sich jedoch gezeigt, dass sie wegen der kleineren Maße und des niedrigeren Wohnkomforts für den weiteren massenhaften Bau von Familienwohnungen nicht der geeigneteste Typ waren. Sie blieben demnach eher für Arbeiterberufe und andere Wohnzonen der Firma vorbehalten wie die Viertel Zálešná, Podvesná oder Díly und sind dann nur noch in Ausnahmefällen aufgetaucht. In der anschließenden Entwicklung der Wohnkultur der Firma wurden sie durch das viel bequemere und für ein Familienleben besser ausgestattete Doppelhaus ersetzt. Die Viertelhäuser können in den dreißiger Jahren beispielsweise noch in Zweigstellen des Unternehmens vom Typ Otrokovice-Baťov angetroffen werden. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Typologie eines Hauses mit vier Wohnungen von Architekt Miroslav Drofa wieder aufgegriffen, der für das Viertel Podvesná eine modernisierte Version mit Eingängen an den Vorderseiten entwarf.
Die Viertelhäuser in Letná sind heute Bestandteil der städtischen Denkmalzone Zlín und unterstehen einer Regulierung unerwünschter moderner Veränderungen. In völlig ursprünglichem Zustand einschließlich erhaltener Details befindet sich jedoch nur ein Minimum von ihnen. Die meisten haben mehr oder weniger gelungene Sanierungen durchgemacht und legen Zeugnis ab vom veränderten gesellschaftlichen Klima der Stadt, die nicht mehr vom Wirken eines dominanten Industrieunternehmens beeinflusst wird.
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