Doppelhaus
Mit einem unverputzten Viertelhaus in Letná begann die Firma Baťa nach Mitte der zwanziger Jahre die Etappe des streng organisierten, zeitlich und finanziell effizienten, standardisierten Baus von Familienwohnungen für ihre Beschäftigten. Diese Vorgehensweise beherrschte in der Zwischenkriegszeit in Zlín das Wohnen von Industriearbeitern. Das Unternehmen mit Tomáš Baťa an der Spitze reagierte auf das beschleunigte Wirtschaftswachstum, das mit einem Zustrom vieler Menschen in die Stadt mit ihren unzureichenden Wohnkapazitäten verbunden war. Gleichzeitig verdeutlichte sie sich anhand von bereits realisierten Experimenten mit verschiedenen Wohnformen nach und nach ihre Vorstellung über die günstigste Wohnungspolitik. Unter dem Einfluss des Phänomens der Gartenstädte und der zeitgenössischen Theorien über die Gestaltung von Industriekomplexen (Tony Garnier: Die ideale Industriestadt, Ebenezer Howard: Gartenstädte in Sicht) sowie mit der Absicht, den in der Massenproduktion tätigen Arbeitern ausreichend Privatraum zu bieten, wählte der Konzern ein von Grün umgebenes Haus als dominanten Wohnungstyp.
Das Arbeiterhaus mit vier kleineren Wohneinheiten wurde bald durch ein Doppelhaus mit eigenen Eingängen an den einander gegenüberliegenden Seiten ersetzt. Unter Beibehaltung akzeptabler Kosten – im Jahr 1933 nicht ganz 42 Tausend für ein Haus – steigerte es in bedeutendem Maße den Lebenskomfort der verheirateten Baťa-Beschäftigten und bot ihnen eine größere Wohnfläche von ca. 65 m2 für jede Wohnung. Die Doppelhäuser wurden in Zlín bald zu einem charakteristischen Merkmal der urbanen Umgebung. Im Jahr 1939 machten sie 71 % aller Wohntypen für verheiratete Beschäftigte der Firma Baťa aus.
Zuerst tauchten Doppelhäuser wieder im Viertel Letná auf, wo sie in mehreren Schüben eher in den oberen Partien des abfallenden Geländes ganze Straßen füllten. Sie wurden dutzend- oder hundertweise nach einem von der Bauabteilung des Unternehmens ausgearbeiteten Typenentwurf in Serie hochgezogen. František Lýdie Gahura hat als Leiter der Bauabteilung nicht nur zur urbanistischen Lösung des gesamten Bezirks, sondern auch deutlich zur architektonischen Form des standardisierten Arbeiterhauses beigetragen.
Am häufigsten kommt in Letná das Doppelhaus Typ 1928 mit Flachdach vor. Außen übernimmt es gänzlich die bereits durch das vorhergehende Viertelhaus mit unverputztem Backsteinmauerwerk und einfachen Details der Holzfenster bestimmte Form. Von seiner Anlage her ist das Doppelhaus jedoch großzügiger. Jede unterkellerte Erdgeschosswohnung verfügte über einen Vorraum, eine Küche, ein Wohnzimmer und ein Bad mit Badewanne und Toilette. Die hier noch durch die Hausmitte geführte Holztreppe ins Obergeschoss war vom Wohnzimmer aus zugänglich. Im Obergeschoss befindet sich jeweils ein Eltern- und ein Kinderschlafzimmer, wobei man in das Kinderzimmer entlang eines aus dem Elterbereich herausführenden Geländers gelangte. Für das Doppelhaus Typ 1928 verwendete man Innenwände aus Holz, die mit einer Isolierschicht verkleidet und anschließend verputzt wurden. Bei den späteren, besonders in den Vierteln Zálešná, Podvesná und Díly errichteten Doppelhäusern (z.B. Typ 1934 oder Typ 1938) wurde die Disposition sowie das äußere Aussehen auf verschiedene Art und Weise modifiziert. Die Treppe wurde üblicherweise entlang der Außenwand geführt und ermöglichte einen direkten Zugang sowohl ins Schlafzimmer der Kinder, als auch in das der Eltern. Im Viertel Zálešná befinden sich auch die einzigen Doppelhäuser von Zlín, die mit einem traditionellen Satteldach abgeschlossen wurden.
Die Arbeiterhäuser wurden von der Firma auf eigene Kosten errichtet und an die Beschäftigten anschließend zu einem günstigen Preis vermietet. Eine derartige Vermietung war indes keine Selbstverständlichkeit, Interessenten mussten einen streng vorgegebenen Prozess durchlaufen, der detailliert ihren familiären Hintergrund, ihren Ruf, ihre Ersparnisse und ihr religiöses Bekenntnis monitorierte. Das Haus konnten sie darüberhinaus nur zu im voraus klar vorgegebenen Regeln und Bedingungen nutzen, die von den Mitarbeitern der Wohnungsabteilung regelmäßig überwacht wurden. Im Falle einer wiederholten Verletzung der Regeln oder einem Verlassen der Firma mussten die Häuser wieder abgegeben werden. Der Schuhkonzern hat auf diese Weise die Art und Weise des Wohnens seiner Beschäftigten paternalistisch geformt und diese zielstrebig in Richtung eines modernen städtischen industriellen Lebensstils gelenkt.
Im Hinblick auf die riesige Fülle an Arbeiterdoppelhäusern in Zlín ist ihr heutiger Zustand verschieden geartet. Die ursprünglichen Fassaden wurden mit modernen Backsteinbändern verdeckt, und die typisierten architektonischen Originaldetails der Kastenfenster aus Holz und der oft mit einem Betonvordach versehenen Eingangstüren sind in den meisten Fällen bereits verschwunden. Innenanordnung und Disposition wurden einem anderen Tagesablauf der Hausbewohner angepasst, der fortan nicht mehr vom Rhythmus der Fabrik, noch von den die Arbeit betreffenden oder persönlichen Ansprüchen eines Industriearbeiters angegeben wird.
Ein großer Teil der Doppelhäuser wurde durch nachträgliche Anbauten oder Veranden vergrößert, von allen Familienhaustypen ist dieser nämlich am leichtesten zu ergänzen. Dadurch wurden die früheren Grünflächen der Gärten jedoch wesentlich verringert, was zusammen mit der Fülle der modernen Parkplätze die Erholungsatmosphäre des ganzen Bezirks unterdrückt. Im Vergleich zu anderen Baťa-Kolonien außerhalb von Zlín, in denen die Wohnzonen keinem Denkmalschutz unterstehen (z.B. in Otrokovice), befinden sich die Häuser in der Zlíner Denkmalzone aber immer noch in einem sehr gut erkennbaren Zustand, der ihren speziellen Charakter bewahrt.
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