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Prototyp eines Hauses mit vorgefertigtem Skelett

Datierung 1953–1954
Architekt(inn)en Karel Janů, Karel Prager
Kode Z12
Adresse Mánesova 1095–⁠1098, Otrokovice
Öffentlicher Nahverkehr Öffentlicher Nahverkehr: Otrokovice, Společenský dům (TROL 2; BUS 55, 70)
GPS 49.2148928N, 17.5109500E

Auf einem freien Grundstück in der Nähe des Hauptplatzes von Baťov, westlich des Gemeinschaftshauses, wurde in den Jahren 1953–1954 der Prototyp eines Hauses mit vorgefertigtem Skelett mit der Bezeichnung „Typ Janů“ oder T16/54 errichtet. Der Entwurf stammt von zwei Architekten, die in der Nachkriegszeit vor allem in Prag tätig waren – Karel Janů (1910–1995) und Karel Prager (1923–2001).

Die Konstruktion und der architektonische Ausdruck des Hauses spiegeln sehr gut die Veränderungen in der Organisation des Bauwesens nach 1948 wider. Mit dem Übergang zu einer verstaatlichten, zentral geplanten Bauwirtschaft, in der ökonomische Aspekte, die Typisierung, Standardisierung und wissenschaftlich fundierte Industrialisierung des Wohnungsbaus im Vordergrund standen, begann gleichzeitig ein intensive Suche nach geeigneten Konstruktionsweisen, Technologien und Materialien.

In den dreißiger Jahren war Karel Janů zusammen mit Jiří Voženílek und Jiří Štursa in der linken Avantgardegruppe PAS tätig gewesen, die sich bereits damals unter dem Einfluss sowjetischer Vorbilder für die Industrialisierung der Architektur interessierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er eine der Schlüsselfiguren bei der Durchsetzung neuer Methoden und Verfahren in der Architektur. Neben seiner publizistischen Tätigkeit (Sozialistisches Bauen. Worum geht es im Bauwesen und in der Architektur?) wurde er auch zum ersten Direktor der Tschechoslowakischen Baubetriebe, in denen die verstaatlichten Baufirmen zusammengeschlossen waren. Im Jahr 1953 entwickelte er das Konstruktionssystem T16/54, welches auf einem vorgefertigten Innenskelett basiert, das mit massiven Ziegelblöcken anstatt mit traditionellem Mauerwerk ummantelt wird.

Gerade diese konstruktive Lösung brachte der angehende Architekt Karel Prager bei seinem Prototyp in Otrokovice zur Anwendung. Prager zeichnete später für eine Reihe von avantgardistischen Projekten verantwortlich, die von der zeitgenössischen westlichen Architektur inspiriert waren und moderne Materialien und die Technologie vorgehängter Stahlfassaden nutzten, so etwa das Institut für makromolekulare Chemie (1960–1964), die Neue Szene des Nationaltheaters (1981–1983) oder das Abgeordnetenhaus in Prag (1967–1974).

Der Prototyp eines vorgefertigten Hauses in Otrokovice entstand in der Blütezeit des sozialistischen Realismus, der seine Vorbilder in der Geschichte des Landes, der Volkskunst oder dem Klassizismus suchte. Auch Karel Prager wandte sich damals, noch im Einklang mit den staatlich geförderten Tendenzen, der historisierenden Gestaltung zu. Die Eingangsbereiche an den beiden Enden des fünfgeschossigen Blocks mit insgesamt vier Eingängen hob er durch eine monumentale Säulenreihe hervor. Vier schlanke Säulen, die auf einer niedrigen Treppe ruhen, ragen bis ins oberste Stockwerk hinauf. Oberhalb des Erdgeschosses umgibt ein leicht auskragendes Gesims das Gebäude und teilt die Säulen in zwei Teile. Zu beiden Seiten des Eingangs sind die Säulen glatt und mit einfachen Kapitellen versehen, während sie oberhalb des Gesimses mit Kanneluren und reicheren Kompositkapitellen versehen sind.

Der dekorative Charakter der Fassade wurde durch eine Reihe kleiner Balkone mit ornamental geflochtenen Metallgittern betont, die vor den Fenstern zwischen den Säulen angeordnet waren. Die vorherrschende vertikale Gliederung der Fassade wurde durch Farbbänder rund um die einfachen zweiteiligen Fenster akzentuiert, die alle Stockwerke miteinander verbinden. Unter den Fenstern des Erdgeschosses wurden Flachreliefs angebracht, die als Motiv Tauben und gekreuzte Bänder zeigen. Gekrönt wird das Haus von einer markanten Attika mit Balustrade. An der von der Straße abgewandten schlichteren Rückfassade fehlen die Säulenreihen, markante vertikale Linien bilden hier vor allem die Fensterbänder der Treppenhäuser.

In den theoretischen Diskussionen auf den Seiten der Fachzeitschrift Architektur der Tschechoslowakei, die damals ganz auf die Durchsetzung des sozialistischen Realismus ausgerichtet war, stieß Pragers dekoratives Konzept, das im Gegensatz zur experimentellen Baukonstruktion des Hauses stand, nicht auf ungeteilte Begeisterung. Man kritisierte den „palastartigen Charakter“ und eine falsche Anwendung der architektonischen Formensprache, die zu einer „Vergröberung und Vulgarisierung der Formen“ geführt habe.

Ein 1955 im Prager Stadtteil Vršovice errichteter Probebau desselben Bautyps wurde daraufhin ohne nennenswerte dekorative Elemente ausgeführt. Obwohl das Skelettsystem größere Freiheit beim Grundriss erlaubte, verhinderte der höhere finanzielle, technische und auch handwerkliche Aufwand seine weitere Verbreitung. Bei den staatlichen Projektierungsbüros gab man daher bald der billigeren und schnelleren Großplattenbauweise den Vorzug. In unmittelbarer Nähe zu dem von Janů und Prager entworfenen Prototyp entstanden in Otrokovice bald vier Wohnhäuser des von Bohumír Kula und Hynek Adamec projektierten Typs G40, eines Großplattenbaus, der erstmals in den Jahren 1953–1954 am Benešovo nábřeží in Zlín errichtet wurde.

Trotz geringfügiger Veränderungen an den Fenstern und Eingangstüren blieb das Haus mit seinem vorgefertigten Skelett bis 2022 in seiner ursprünglichen Form erhalten. Danach wurde es aufgrund seines schlechten Zustands komplett rekonstruiert. Dabei wurde die ehemals gedeckte Farbgebung verändert, der Steinsockel unsachgemäß abgeändert und viele Details entfernt. Die ursprünglichen dekorativen Reliefs wurden abgenommen und teilweise nach erfolgter Wärmedämmung der Fassaden wieder angebracht (nur an der Eingangsfassade). Die charakteristische Säulenreihe und die Balkongitter blieben bei den Umbauten erhalten. Im Gegensatz zum Institut für makromolekulare Chemie, der Neuen Szene des Nationaltheaters oder dem Abgeordnetenhaus in Prag, die in den letzten Jahren als unbewegliche Kulturdenkmäler unter Schutz gestellt wurden, genießt der Prototyp des Hauses mit vorgefertigtem Skelett keinen Denkmalschutz. Obwohl es bedeutende architektonische Qualitäten und einen beträchtlichen historischen Wert besitzt, sind alle Eingriffe in seine Gestaltung rechtlich zulässig, auch wenn sie sein Gesamtbild irreversibel beschädigt haben.

 

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