Haus mit Ladengeschäften und Wohnungen
Das im Jahr 1938 an der Südseite des parkartigen Hauptplatzes von Baťov errichtete Haus mit Ladengeschäften und Wohnungen schloss sich an das zwei Jahre zuvor eröffnete Kaufhaus an. Beide Objekte entstanden nach Entwürfen des Architekten Vladimír Karfík, deshalb passen sie harmonisch zusammen und bilden eine geschlossene Einkaufszeile, die den zentralen Erholungsbereich des neuen Fabrikkomplexes flankiert. Vladimír Karfík arbeitete in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre gleichzeitig an einer Reihe von Projekten für Baťov (Gemeinschaftshaus 1936, Schwimmbad 1938, Volksschule 1935, Bürgerschule 1937). Im Jahre 1938 bebaute er das freie Grundstück neben dem Kaufhaus und verfolgte dabei das in der Zwischenkriegszeit beliebte Konzept eines Mehrfamilienhauses mit Ladengeschäften im Erdgeschoss und Wohnflächen in den oberen Stockwerken.
Das dreigeschossige L-förmige Gebäude ist etwas niedriger als das benachbarte Kaufhaus, doch ist der Unterschied wenig markant. Die Rundstützen des Skelettbaus sind nur im Erdgeschoss zu sehen, die beiden Wohngeschosse weisen glatte Backsteinfassaden auf. Das Erdgeschoss ist durch weit heruntergezogene Schaufenster mit den Eingängen zu den einzelnen Geschäften gekennzeichnet. Sie wurden ergänzt durch Reklameflächen in der gleichen grafischen Gestaltung, wie sie auch das Kaufhaus besaß. Dem Eckbereich in Richtung zur Třída Spojenců verlieh der Architekt durch die vollständige Verglasung mit Flachglas eine noch nie dagewesene Transparenz. Hier befand sich das Postamt. Das Gesims über dem Ladengeschoss schließt sich fließend an jenes des benachbarten Kaufhauses an und übernimmt dessen dynamische Form.
Die Fassade der Obergeschosse wird durch in den Baukörper eingelassene Loggien rhythmisiert, zwischen denen kleine zweiflügelige Fenster mit Kipplüftung gruppiert sind. Die Loggien mit ihren zierlichen Geländern werden wie auch die Fenster durch kurze verputzte Gesimsbänder akzentuiert. Die Ecke des Hauses in Richtung zum Platz rundete der Architekt ab und platzierte in jedem Stockwerk eine Loggia. Eckfenster oder wie in diesem Fall Loggien in einer Gebäudeecke finden sich in Karfíks Werk häufiger (z. B. auch im Haus von Herrn Gerbec in Zlín), sie sind durch den amerikanischen Einfluss seiner Lehrzeit bei Frank Lloyd Wright geprägt. Die dem Hof zugewandte Fassade ist durch die Eingänge zu den Wohngeschossen und die daran anschließenden vertikalen Fensterstreifen des Treppenhauses gegliedert, welche von Loggien flankiert werden. Das Erdgeschoss ist durch die großen rechteckigen Fenster der Ladengeschäfte geprägt. In das erste Fassadenfeld neben dem Kaufhaus wurde ein monumentales Fenster eingefügt, das sich über zwei Etagen erstreckte und auch in den oberen Etagen von runden Stützen gesäumt wurde. Es erhellte die Räumlichkeiten einer Konditorei, die sich entsprechend dem Projekt Karfíks über drei Etagen erstreckte, welche über eine entlang der Trennwand verlaufende Treppe erreichbar waren.
Nach zeitgenössischen Zeitungsmeldungen hatten die Geschäftsleute von Otrokovice großes Interesse an den Ladenräumen unterschiedlichster Größe. Nach der Einweihung im Herbst 1938 wurde eine Reihe von Geschäften eröffnet, mit denen die Anwohner einen deutlich komfortableren Zugang zu Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungsbetrieben erhielten – so fanden sich hier etwa eine Buchhandlung, ein Papiergeschäft, ein Friseursalon, ein Möbel- und Parketthersteller, ein Fotoatelier und ein Laden für Fotobedarf.
In drei Wohnbereichen standen in jedem Stockwerk drei Zweizimmerwohnungen mit Balkon zur Verfügung, wobei die Eingänge zu den Wohnungen in der Mitte eines jeden Bereichs angeordnet waren. Bei jeweils zwei der Wohnungen, die im Treppenhaus einander spiegelbildlich gegenüber lagen, waren das Wohnzimmer mit Zugang zum Balkon, die Küche und das Bad zum Hof hin ausgerichtet, die Schlafzimmer dagegen zum Platz. Bei der dazwischen angeordneten dritten Wohnung waren beide Zimmer zum Platz hin ausgerichtet. Vom Schlafzimmer wie vom Wohnzimmer dieser Wohnung aus konnte man die geräumige Loggia betreten, wohin auch die Fenster der Küche und des Badezimmers mit Badewanne führten. Der vierte Wohnbereich an der Ecke des Hauses bot nur zwei Obergeschosswohnungen mit größeren Wohnflächen. Eine davon war eine Dreizimmerwohnung mit einem zusätzlichen Schlafzimmer für die Kinder. Die andere Dreizimmerwohnung war die großzügigste im ganzen Haus. Neben dem Schlafzimmer und dem Kinderzimmer gab es hier ein großes Wohnzimmer, eine Kleiderkammer, eine Speisekammer und zwei Loggien, darunter die geräumige im Eckbereich. Im Untergeschoss befanden sich Kellerräume für die einzelnen Wohnungen, kleine Lagerräume für die Ladenlokale, eine Waschküche und ein Technikraum.
Das Haus hat sich seine ursprüngliche Gewerbe- und Wohnfunktion sowie sein ursprüngliches architektonisches Konzept bis heute bewahrt, es sind weder zusätzliche Anbauten noch Fassadenverkleidungen mit modernen Materialien hinzugekommen. Die Fassaden sind in einem authentischen Zustand erhalten, etliche Details sind jedoch verschwunden – so etwa die Fenster mit Holzrahmen in den Wohnbereichen, die großflächige Verglasung des Postamts oder die durchgehenden Fensterbänder, die das Treppenhaus über den Eingängen zu den Wohnbereichen beleuchteten. Den neuzeitlichen Elementen fehlt freilich die für die funktionalistische Ästhetik typische Leichtigkeit, Reinheit und handwerkliche Qualität. Die ehemals gediegene und einheitlich konzipierte grafische Gestaltung der Werbeschriftzüge in den Ladengeschäften ist einer chaotischen Mischung visueller Stile gewichen. Der Straßenraum vor den Geschäften wird heute von Parkplätzen dominiert.
Schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs schuf der Architekt Karfík mit diesem Gebäude die Vorlage für einen neuen Typus mehrstöckiger Wohnhäuser ohne Ladenparterre, die in der Zeit nach 1945 in der Werkssiedlung zu dominieren begannen. Ein modifizierter Typ dreigeschossiger Wohnhäuser aus der Siedlung Obeciny in Zlín, der auf einem Entwurf Karfíks basiert, erschien später in zwei Exemplaren in den Straßen Třída Spojenců und Školní auch in Otrokovice.
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