Kaufhaus
Nach der Strategie der Firma Baťa sollte die neu errichtete Werkskolonie in Otrokovice eine vollwertige städtische Siedlung darstellen. Neben den Arbeitsmöglichkeiten sollte sie ihren Bewohnern auch eine angemessene Unterkunft, Bildung sowie gesellschaftliche und Freizeitaktivitäten bieten. Nach den städtebaulichen Plänen des Architekten František Lýdie Gahura (1891–1958) konzentrierte sich der Schwerpunkt des öffentlichen Lebens in der unmittelbaren Nähe des Industriekomplexes. Am südlichen Rand des großen Parkgeländes, welches auf allen Seiten von Straßen umschlossen ist, wurden zwischen 1935 und 1938 zwei Gebäude errichtet, die unmittelbar nach ihrer Eröffnung zum Mittelpunkt der geschäftlichen Aktivitäten des heute als Baťov bekannten Ortsteils wurden. Zuerst wurde nach einem Entwurf des Architekten Vladimír Karfík aus dem Jahr 1935 ein Kaufhaus errichtet, welches im April 1936 eröffnet wurde.
Im Gegensatz zu vielen Kaufhäusern der Firma in größeren Städten, die als mehrstöckige, großzügig verglaste und neonbeleuchtete Gebäude gestaltet waren (Karfíks Entwurf in Liberec 1931 oder Kolín 1930, Gahuras Kaufhaus in Zlín 1930–1931), ging das Kaufhaus in Baťov in seiner Raumaufteilung wie seiner Konstruktion von der Typologie einer Produktionshalle mit ausgeklügelten Details aus. Das dreigeschossige Gebäude, das von einer Stahlbetonkonstruktion mit an der Fassade sichtbaren Rundsäulen getragen wird, ist in mächtigen Fundamentringen aus Beton mit Durchmessern von 1 bis 3,2 Metern gegründet. Diese wurden aufgrund des schwierigen Untergrunds eingesetzt, denn noch wenige Jahre vor der Errichtung des Kaufhauses war hier eher ein sumpfiges Feuchtgebiet denn ein geeigneter Bauplatz gewesen.
Die Hauptverkaufsfläche des Kaufhauses wird durch tief heruntergezogene Schaufenster großzügig erhellt, die zusammen mit einem Band von Werbeschildern mit einheitlicher grafischer Gestaltung die einzelnen Felder des standardisierten Gebäudemoduls (6,15 x 6,15 m) vollständig ausfüllen. Das Erdgeschoss ist durch ein auskragendes Betongesims, welches das Gebäude an drei Seiten einfasst und sich elegant um die Ecken zieht, optisch von den oberen Stockwerken getrennt. Ein ähnlich geformtes Gesims setzte Vladimír Karfík beim Gesellschaftshaus Díly in Zlín aus dem Jahr 1937 an. Die beiden Obergeschosse sind durch Ziegelmauerwerk charakterisiert, das von großen rechteckigen Fenstern in zierlichen Stahlrahmen durchbrochen wird. Im obersten Stockwerk, das im Projekt für Lagerräume vorgesehen war, wurden die Fenster etwas kleiner dimensioniert als im ersten Obergeschoss. Die Fenster dienten auch als Werbeflächen, die die Passanten ansprechen sollten. Kurz nach der Eröffnung dominierte hier der Schriftzug „Qualität zu günstigen Preisen“. Auf dem Dach fand sich eine Leuchtreklame mit der Aufschrift „Kaufhaus“. Aus dem Grundriss des Kaufhauses, in dessen Untergeschoss nach den Plänen des Architekten auch 28 Garagenplätze vorhanden waren, ragte in der Mitte der Südfassade ein Anbau mit einer Länge von drei Gebäudefeldern heraus. Hier befanden sich die Treppen, der Aufzug und die Toiletten. Der Haupteingang des Gebäudes zum parkartigen Hauptplatz hin wurde durch zwei zweiflügelige Glastüren gebildet. Ein zweiter Eingang befand sich auf der Ostseite zur Fabrik hin, ein weiterer führte auf der Rückseite des Gebäudes direkt zum Treppenhaus.
Das Kaufhaus sollte alle Grundbedürfnisse der Bewohner des neuen Stadtteils befriedigen und sie von den Einkaufsmöglichkeiten in der alten Ortschaft unabhängig machen. Das an moderne Vorbilder angelehnte Erdgeschoss war wie bei den übrigen Kaufhäusern der Firma als durchgehende, freie Fläche konzipiert, die durch massive Säulen unterteilt wurde. Den Kunden standen zahlreiche Verkaufsstände zur Verfügung, wo unter anderem Feinkost, Obst, Gemüse und Fleisch angeboten wurden, daneben fanden sich hier eine Auswahl an Textilien und Hüten, Drogerie- und Parfümeriewaren, Haushaltswaren sowie ein Buffet. Im ersten Obergeschoss sah das Projekt eine Kantine mit Küche für die Belegschaft des Werks vor. Diese war jedoch nur für wenige Wochen in Betrieb, bevor hier bereits im Mai 1936 ein weiterer Verkaufsraum für Textilien eingerichtet wurde. Das oberste Stockwerk war für Haushaltswaren, Einrichtungsgegenstände und Möbel bestimmt.
Im Jahr 1938 wurde an das Kaufhaus ein weiteres Gebäude mit Ladengeschäften und Wohnungen angeschlossen, welches ebenfalls von Karfík entworfen war. Die beiden Objekte bildeten von der Qualität und Form der architektonischen Gestaltung hier wie auch durch ihr Angebot an verfügbaren Dienstleistungen eine wohldurchdachte organische Einheit. Das Kaufhausgebäude ist bis heute weitgehend im Originalzustand erhalten geblieben und weist etliche ursprüngliche Details auf, so auch das abgerundete Gesims oder die Neonleuchtschrift. Wie die meisten anderen öffentlichen Gebäude im einstigen Stadtkern von Baťov leidet es jedoch unter einer starken „visuellen Verschmutzung“, welche die Fassadenflächen weitgehend verdeckt. Seit mehreren Jahren wird auch über eine mögliche Rekonstruktion diskutiert. Im Jahr 2017 wurde durch das Olmützer Architekturstudio atelier-r, welches im Jahr 2012 auch das dortige PRIOR-Kaufhaus des Architekten Jan Melichar aus den siebziger Jahren renoviert hatte, ein bislang noch nicht umgesetztes Projekt für die Renovierung des Kaufhauses und die Umwandlung der oberen Stockwerke in ein Alzheimer-Zentrum ausgearbeitet. Im Herbst 2022 wurde mit dem Austausch der nicht originalen Aluminiumfenster begonnen, wobei mehrere neue Fensteröffnungen den ursprünglichen Fenstern aus den dreißiger Jahren nachgebildet wurden.
Das Kaufhaus stellt bis heute ein ausgezeichnetes Beispiel für die Strategie der Firma Baťa dar, ihre Werksstädte mit repräsentativen Geschäften auszustatten, die dazu beitrugen, die Einkaufsgewohnheiten der Mitarbeiter zu formen. Gleichzeitig ist es ein überzeugender Beweis für die Fähigkeit des Architekten Karfík, ein standardisiertes Bausystem mit gestalterischer Leichtigkeit und Sinn für Details einzusetzen.
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