Kaufhaus
Hochhäuser waren ein Symbol für Prosperität und technologischen Fortschritt, mit dem das Amerika der zwanziger Jahre Europa bezauberte. Auch in der Tschechoslowakei existieren einige Entwürfe, in denen sich die Architekten mit dem Bau von Hochhäusern beschäftigen. Es fand sich jedoch kein Bauherr, der diese gewagte Typologie wirklich habe realisieren wollen. Ein solcher war erst Tomáš Baťa, erfolgreicher Unternehmer und Propagator des American Way of Life, der auf Rationalisierung und gesellschaftlichen Fortschritt vertraute. Nach einem Entwurf von Vladimír Karfík sollte 1931 der erste Wolkenkratzer in Brünn entstehen. Behördliche und technische Komplikationen führten jedoch dazu, den ambitionierten Plan aufzugeben, sodass die Bemühungen des Unternehmens auf das neu entstehende Kaufhaus in Zlín fokussiert wurden. Das neungeschossige Objekt war eines der größten und am modernsten ausgestatteten Geschäfte in der Tschechoslowakei. Zusammen mit dem Gemeinschaftshaus und dem Verwaltungsgebäude, die nur einige Jahre später errichtet wurden, entstand ein moderner öffentlicher Raum für die Bewegung von Tausenden von Firmenbeschäftigten (im Jahr 1932 waren es bereits über 32 Tausend).
Entwürfe von Kaufhäusern, die bisweilen auch Dienstleistungshäuser genannt wurden, entstanden in der bis 1933 von František Lýdie Gahura geleiteten Bauabteilung der Firma Baťa. Gahura gilt als Hauptautor des Baus, obwohl die Pläne lediglich von Ingenieur Martinec signiert worden waren. Eines der Hauptkriterien waren Kostenaufwand und Effizienz, auch deshalb verwendete man das an Fabrikbauten und auch am Gebäude der benachbarten Markthalle erprobte Konstruktionssystem von 6,15 × 6,15 m. Bei der Errichtung des Gebäudes auf der Parzelle hat man den von der Fabrik in die Ziegelei führenden Gleisanschluss sowie das leicht abschüssige Gelände berücksichtigt. Das standardisierte Stahlbetonskelett von 3 × 13 Feldern ermöglichte die Schaffung von flexiblen Verkaufs- und Lagerflächen. Der Eingang in das Objekt war von drei Seiten aus möglich: von der West-, Ost- und Nordfassade. Der Erfindungsreichtum des Architekten ist besonders an der Fassade zu erkennen. Die Höhe der Verglasung verringert sich stufenweise von den unteren Stockwerken – den Schaufenstern – zu den oberen Stockwerken mit den Lagern und Büroräumen. Als technologische Wunder galten seinerzeit die „beweglichen Treppen“, die im Jahr 1934 zwischen der 2. und 3. Etage installiert wurden. Die Rolltreppen blieben dort bis in die achtziger Jahre in Betrieb, als sie demontiert wurden.
Die Vorstellung von einem neuen Kaufhaustyp umfasste auch die Fähigkeit der Selbstdarstellung. Die weiße Fassade diente als Fläche für Werbebotschaften, die für Sonderangebote und für die Verkaufsbetriebe im Innern des Gebäudes warben. Große Aufmerksamkeit wurde auch den Schaufenstern, der Art wie man die Produkte ausstellte und der Komposition des Eingangsbereichs des Geschäfts gewidmet. Zu einem wichtigen Element wurde auch die Verwendung großer Fensterfüllungen, damit „jeder in dessen Eingeweide blicken kann“. Die Firmenstrategie kalkulierte auch mit der nächtlichen Beleuchtung der Kaufhäuser. Die Auslagen wurden mit Reflektorlampen beleuchtet, deren Strahlen nicht bis auf die Straße reichten. Unter dem Slogan „Licht lockt Menschen an“ erstrahlten alle öffentlichen Gebäude am Platz der Arbeit (aber auch der Springbrunnen in der Mitte des Parks). Neonleuchten kopierten die Grundsilhouetten der Bauten, was von einem modernen Geist zeugte und dem Zlíner Platz gleichzeitig einen großstädtischen Charakter verlieh.
Im Kaufhaus sollte auch für das „leibliche Wohl“ der Beschäftigten gesorgt sein. In einem nach den aktuellen Trends ausgestatteten Restaurant, deren wöchentliches Menü in Baťas Firmenzeitung abgedruckt wurde, bot man preisgünstige Imbisse an. Die Kunden konnten dort außer Lebensmitteln auch Textilien, Küchengeräte, Kraftstoffe, Möbel und weitere Produkte einkaufen. Eine mit den Technologien jener Zeit ausgestattete Molkerei verarbeitete beispielsweise täglich bis zu 20 000 Liter Milch, dort gab es auch Büffets, Cafés oder Fischgeschäfte, eine Kaffeerösterei und eine Metzgerei. In der siebten Etage wurde eine Hauskantine für die jungen Männer und Frauen eingerichtet, die in den nahegelegenen Internaten untergebracht waren. Ähnlich wie in den Fabrikbetrieben wurden auch die Verkaufsstellenleiter durch eine Gewinnbeteiligung motiviert, dank der sie ambitionierter und für das Verkaufsergebnis verantwortlich sein sollten, das in Anlehnung an ausländische Kaufhäuser organisiert und strategisch durchdacht war.
Im Jahr 1933 kam an der Südseite des Gebäudes ein Aufzugsturm hinzu. Ein Jahr später wurde ein Anbau mit einer Breite von 5 Modulen mit Dienstleistungen, Büroräumen und einem Empfangsraum hinzugefügt. Autor dieses Anbaus war Vladimír Karfík, ein weiterer Architekt Baťas. Ab den fünfziger Jahren machte das Gebäude schrittweise Veränderungen durch, die auch die Betriebe im Gebäudeinnern, Innenraumelemente und Technologien betrafen. Den größten Eingriff stellte der Austausch der Fenster und die Anbringung eines Außenmantels aus profiliertem Aluminiumblech an der Fassade im Jahr 1971 dar. Dadurch wurde der ursprüngliche Rhythmus der sich verkleinernden Fenster gestört. Bis heute sind außer der Stahlbetonkonstruktion keine authentischen Elemente mehr erhalten geblieben.
Im Herbst 2018 machte das Kaufhausgebäude eine umfangreiche, von Architekt Jaroslav Ševčík entworfene Sanierung durch, bei welcher an der Fassade die ursprüngliche Fenstergliederung und die weiße Farbgebung wiederhergestellt wurden. Die Geschäftsräume wurden auf die ersten zwei Stockwerke konzentriert, darüber schließen Büroräume an. Im Dachgeschoss soll ein Hotel und ein Wellnessresort betrieben werden. Völlig anders ist jetzt die Orientierung der Rolltreppen, die heute in der Mitte der Disposition gegenüber dem Haupteingang untergebracht sind und lediglich das Erdgeschoss mit dem ersten Stock verbinden. Die frühere transparente Verglasung wurde durch getönte Fenster ersetzt, in der zehnten Etage befindet sich ein neuer verglaster Überbau.
LŠ