Evangelische Kirche
Datierung
1936–1937
Architekt/in
Vladimír Karfík
Route
Das geistliche Zlín
Kode
Z8
Adresse
Štefánikova 3018, Zlín
Öffentlicher Nahverkehr
Öffentlicher Nahverkehr: Slovenská (TROL 1, 3, 9, 11, 12, 13, BUS 90)
GPS
49.2242156N, 17.6759761E
Literatur
- David Valůšek, Petr Pivoňka, Ivan Bergmann, Evangelický kostel ve Zlíně 1937-2007. 70 let, Zlín 2007
- Zdeněk R. Nešpor, Encyklopedie moderních evangelických (a starokatolických) kostelů Čech, Moravy a českého Slezska, Praha 2009
Die Bildung der Zlíner evangelischen Gemeinde fällt in die zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Ein steiler Anstieg der Zahl an Protestanten wird damals im Zusammenhang mit dem starken Zustrom von Beschäftigen für die Firma Baťa aus allen Winkeln der Republik verzeichnet.
Ab Beginn der dreißiger Jahre bemühten sich die Vertreter der Zlíner Protestanten im breiteren Stadtzentrum ein geeignetes Grundstück für den Bau einer Kirche zu erwerben. Der seit 1928 in einem kleinen Haus in der Straße Hluboká genutzte Gottesdienstsaal genügte schon bald nicht mehr den Bedürfnissen der wachsenden Gemeinschaft. Im Jahr 1934 konkretisierte der Bauassistent Josef Zelinka in mehreren Skizzen großzügige Vorstellungen über die Enstehung eines ausgedehnten Areals mit Kirche, Häusern für den Pfarrer und den Küster sowie ein größeres Gebäude als Begegnungsstätte für Jugendliche. Die Realisierung stieß dabei auf hohe Grundstückspreise, besonders als die meisten freien Bauparzellen direkt von der Firma Baťa für ihre Zwecke erworben wurden. Als einziger gangbarer Weg erwies sich die Zusammenarbeit mit der örtlichen Selbstverwaltung. Bürgermeister Dominik Čipera unterstützte den Bau, und seinem Einfluss war es offenbar zu verdanken, dass die Firma Baťa dem Verkauf eines abschüssigen dreieckigen Grundstücks zwischen den Straße Štefánikova und Kamenná (heute Slovenská) zu einem günstigen Preis zustimmte. 1935 erhielten die Protestanten die kompletten Baupläne kostenlos, weswegen die Firma einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der künftigen Kirche, der sakralen Dominante der funktionalistischen Stadt, nehmen konnte. Dem entsprach auch ihre Lage in dem neu entstehenden Ostteil Zlíns am Rande des mit Baťa-Häusern geschaffenen Wohnviertels Díly.
Mit der Aufgabe, die Baupläne zu erstellen, wurde von der Stadt bzw. der Firma Baťa Anfang 1935 der Architekt Vladimír Karfík beauftragt, von dem beispielsweise bereits der Entwurf einer Kirche in Bratislava-Petržalka stammte (1930). Auch dort machte Karfík von den typisierten Fabrik-Konstruktionsmodulen Gebrauch und entwarf ein einfaches basilikales Dreischiff mit niedrigem Turm über dem Eingang. Weitere Sakralbauprojekte Karfíks wurden nicht ausgeführt (Prštné, Otrokovice-Baťov). Erst im Jahr 1949 wurde nach seinen ursprünglich für Otrokovice gedachten Plänen in der slowakischen Stadt Partyzánske eine römisch-katholische Kirche errichtet.
Im Oktober 1936 erteilte die Stadt die Baugenehmigung für die Kirche, die von dem Baumeister (und Protestanten) Josef Winkler ausgeführt wurde. Am Ostermontag 1937 fand die feierliche Eröffnung der neuen Kirche statt.
Vladimír Karfík hat sich meisterhaft mit der Lage des Baus auf einer abschüssigen Parzelle zu helfen gewusst. Es ist ihm gelungen, ein vom Aussehen her attraktives und im Rahmen der benachbarten Bebauung urbanistisches Element zu schaffen. Der Komplex besteht aus drei sich gegenseitig durchdringenden Quadern/Kuben, deren Formgebung durch ihre Funktion definiert ist. Die Ansichtshorizontale bildet ein kleiner, parallel zur Štefániková-Straße gesetzter Saal und der Eingangsbereich der Kirche. Die natürliche Geländeneigung nutzte der Architekt für das Hauptschiff mit einer ungewöhnlich komponierten stufenförmigen Anordnung der Kirchenbänke. Der Hauptsaal wird von einer Stahl-Fachwerkkonstruktion überdacht. Die vertikale Dominante ist der von einem Kelch gekrönte Glockenturm mit einer hervorgehobenen Kante. Senkrechte, aus jeweils vier vorgefertigten Feldern bestehende Fensterbänder verleihen dem ganzen Bauwerk eine Dynamik. Dieses Motiv wurde sowohl bei dem kleinen, als auch beim Hauptsaal verwendet.
Wegen zu hoher Kosten hat man von dem ursprünglich geplanten Brizolit-Verputz zugunsten des billigeren glatten Kalk-Zement-Verputz abgesehen. Der von künstlerischer Dekoration gänzlich freie Hauptsaal wirkt durch die Verwendung von dunklem Holz für die Kanzel und die von der Form her einfachen Bänke einheitlich. Als Beleuchtung wählte man einfache Lampen an den Seitenwänden. Die Reinheit des Raumes wurde lediglich durch die Verwendung von großen Gussöfen in den Ecken des Saales zum Beheizen verletzt. Die Nüchternheit der Außenform und der Inneneinrichtung korrespondiert gut mit den theologischen Akzenten des Protestantismus.
Durch den Haupteingang von der Štefánikova-Straße gelangen wir in das Vestibül, das von dem Raum der ehemaligen Garderobe dominiert wird. Von dort aus führen zwei symmetrisch angeordnete Treppen in den Hauptsaal, die untypischerweise an der Kanzel und am Altar im Zentralraum der Kirche münden. Der Hauptsaal hat noch einen Eingang von der Slovenská-Straße her. Dort ragen beim Eintreten relativ robuste Orgelpfeifenkästen auf der Empore der in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts installierten Orgel hervor. Dabei handelt es sich um die auffälligste während der ganzen Existenz der Kirche erfolgte Änderung, wenn man von dem Ersetzen der Kalk-Zementfassade durch Brizolitverputz mal absieht (diese Änderung entsprach darüberhinaus der ursprünglichen Absicht des Autors der Kirche).
Vom Vestibül aus ist der zu verschiedenen Zwecken dienende kleine Saal zugänglich. Gegenwärtig dient er für zwei weitere Kirchen als Hauptgottesdienstraum – für die Brüderkirche und für die Tschechoslowakische Hussitische Kirche. Am Kopfende des Saales befindet sich eine abstrakte Holzplastik, an der Seitenwand ein Tryptichon von Lubomír Jarcovják. Der Hauptsaal hat mehrere künstlerische Änderungen durchgemacht. Gegenwärtig wird er von einem Bild des Barmherzigen Samariters von Miroslav Hanák und im Einklang mit der evangelischen Tradition von Zitaten aus biblischen Texten geziert, die von Pavel Falátek grafisch gestaltet wurden. Der ehemals der Garderobe vorbehaltene Raum im Eingangsvestibül wird heute als Galerie genutzt (gestaltet von Ivan Bergmann, 2007). Vor kurzem kam es zu einer sensiblen Renovierung des typischen roten Baťa-Fußbodens, die Inneneinrichtung ist jedoch noch original (Bänke, Kienspanleuchten, Kanzel, Türen, Beschläge). Im Jahr 2016 wurde im Glockenturm eine Glocke aus der Werkstatt von Josef Tkadlec installiert.
Die evangelische Kirche zählt zusammen mit dem später in Dily gebauten Gemeinschaftshaus (V. Karfík, 1936, heute Kleine Bühne) zu den bedeutenden öffentlichen Vorkriegsbauten in diesem Stadtteil. Mit ihren ausgewogenen Proportionen und der funktionalistischen Einfachheit passt sie in den urbanistischen Kontext des Baťaschen Zlíns, gegen den es sich gleichzeitig durch das Fehlen seines typischsten visuellen Elements – der roten Backsteine – abgrenzt. Für die Qualität von Vladimír Karfíks architektonischer Lösung spricht die Authentizität, mit welcher die Kirche bis in die heutigen Tage erhalten geblieben ist.
DV