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Die Villa von Ludvík Gerbec

Datierung 1937–1938
Architekt/in Vladimír Karfík
Kode Z7
Adresse Zálešná I 3222, Zlín
Öffentlicher Nahverkehr Öffentlicher Nahverkehr: Padělky IX (2, 4, 8)
GPS 49.2327108N, 17.6849394E

Mit dem Bau der Baťa-Viertel Zálešná und Podvesná, diesmal im östlichen Teil der Stadt am Fluss Dřevnice, wurde im Jahr 1926 begonnen. Das Gebiet wurde im großen Stil mit den Doppelhäusern des neuen Typs 1927 bebaut, teils mit Flachdach, häufiger jedoch mit Satteldächern. Durch dieses Merkmal unterscheidet sich Zálešná von den anderen Firmenwohnsiedlungen. Sehr deutlich hebt sich von den Normbauten das Haus für Ludvík Gerbec am westlichen Rand des Viertels ab.

Die Villa wurde 1937 durch den Architekten Vladimír Karfík, den Leiter der Bauabteilung, entworfen. Sie gehört zu den experimentellen Bauten, die während der wirtschaftlichen und baulichen Entwicklung des Unternehmens in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre im Rahmen der Suche nach neuen, modernen Wohnformen für Familien errichtet wurden. Die Hauptmotivation bestand darin, den damaligen Wohnstandard zu verbessern, indem mehr Platz und Komfort geschaffen und neue Bautechnologien eingesetzt wurden. Ein Meilenstein in diesem Bestreben war der internationale Wettbewerb für ein neues Familienwohnhaus im Jahr 1935, zu dessen Jury auch der aus der Schweiz stammende Architekt Le Corbusier gehörte.

Die Erfahrungen, die Karfík während eines Auslandspraktikums im Atelier von Frank Lloyd Wright in den USA gesammelt hatte, flossen in die sogenannten Direktorenvillen ein, die sich die leitenden Mitarbeiter des Unternehmens Ende der dreißiger Jahre entwerfen ließen. Die Inspiration durch Wrights sogenannten „prairie style“ zeigt sich in der Betonung der Horizontalität und der Plastizität des Gebäudes durch ein überkragendes relativ flaches Walmdach, das im südöstlichen Teil sogar eine überdachte Eingangsveranda schafft, der Offenheit des Raumes oder dem kreuzförmigen Grundriss des gesamten Gebäudes mit in der Höhe gestaffelten, rechtwinklig zueinander angeordneten Flügeln. Ein für Wright typisches Element sind die um die Gebäudeecken gezogenen Fenster, wie sie sich hier im Erdgeschoss des Hauses finden. All dies verstand man mit den Standardparametern des kompakten und sparsamen Baťa-Wohnungsbaus zu kombinieren, so etwa der Verwendung von unverputztem verfugtem Mauerwerk oder der großzügigen Einbindung in die umgebenden Grünflächen.

Die Villa von Gerbec wurde in zwei aufeinander folgenden Bauphasen errichtet. In der ersten Phase von 1937 wurde das Haus als teilweise unterkellertes Einfamilienhaus mit Schrägdach konzipiert. Im Erdgeschoss befanden sich nur ein Wohnzimmer, das mit dem Esszimmer verbunden war, und eine voll ausgestattete Küche, während sich im Querflügel ein Dienstmädchenzimmer und eine Garage befanden. Im Obergeschoss wurden zwei Schlafzimmer und ein Badezimmer untergebracht. In der zweiten Phase wurde der noch nicht abgenommene Bau 1938 um ein Arbeitszimmer und einen Wintergarten erweitert, der mit dem Wohnzimmer verbunden war, welches außerdem einen vorspringenden Erker und einen offenen Kamin erhielt. Das Flachdach des größeren Anbaus bildete zudem eine großzügige Terrasse im Obergeschoss.

Das Haus von Gerbec hebt sich von der Reihe der standardisierten Betriebswohnungen ab, gegenüber denen es einen höheren Wohnstandard aufweist. Es bleibt jedoch hinter der Individualität und dem Luxus zurück, die der Architekt Karfík später den sogenannten Direktorenvillen verlieh. Die Basis ist hier immer noch die gleiche Baťa-Form, wobei durch einzelne Modifikationen des Entwurfs ein deutlicher höherer Wohnkomfort und eine bessere Raumaufteilung erreicht wurden.

Die Änderung des Projekts während der Bauausführung könnte mit der nachträglichen Bestimmung des konkreten Mieters zusammenhängen. Während der erste Entwurf nur als „Haus mit Schrägdach“ tituliert ist, wurden die geänderten Pläne bereits mit „Haus für Herrn Gerbec“ bezeichnet. Ludvík Gerbec, der Sohn von Dr. Rudolf Gerbec, einem engen Mitarbeiter und Hausarzt von Tomáš Baťa und Betriebsarzt der gesamten Firma, wohnte tatsächlich für kurze Zeit in diesem Haus. Gerbec junior hatte leitende Positionen in Zlín und auch im Ausland inne. Bereits 1938, nach der Fertigstellung der Villa, wurde er nach Best in den Niederlanden geschickt, ein Jahr später nach Belcamp in den USA und schließlich 1940 auf die Philippinen, wo er noch während des Krieges eine neue Niederlassung der Firma gründete. Wegen seiner aktiven Unterstützung des Widerstands gegen die Nationalsozialisten wurde er 1944 von den Japanern verhaftet und inhaftiert, was bleibende gesundheitliche Schäden nach sich zog. Nach dem Krieg kehrte die ganze Familie in die USA zurück, wo Ludvík Gerbec 1960 starb.

Nach 1948 wurde ihr ursprüngliches Haus in Zlín zu einer Kinderkrippe des Staatsbetriebs Svit umfunktioniert, und 1958 wurde die obere Terrasse überdacht. Nach und nach wurde das Gebäude immer weiter verfremdet, indem weitere Änderungen der Innenaufteilung vorgenommen wurden und das Erdgeschoss durch eine geschlossene Veranda und zwei hölzerne Anbauten am Eingang von der Straße her erweitert wurde. Auch die Garage verlor ihre ursprüngliche Funktion und wurde durch einen gepflasterten Stellplatz ersetzt. Von der ursprünglichen handwerklichen Ausführung und der Ausstattung sind nur noch wenige Teile erhalten. Seit Anfang der neunziger Jahre wird das Gebäude als Altentagesstätte des Caritasverbandes Zlín genutzt, seit 2001 steht es unter Denkmalschutz. Der ursprünglich 3500 m² große Garten wurde verkleinert, und heute steht das Haus fast im Schatten des Anfang der sechziger Jahre errichteten Drofa-Wohnblocks.

 
MK