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Jiří Čančík


Geburtsdatum 1922 Bratislava
Todesdatum 2001 Zlín
Quellen
  • Pozůstalost architekta Jiřího Čančíka v archivu KGVU ve Zlíně
  • Magistrát města Zlína, pracoviště SoKA Zlín
  • Moravský zemský archiv v Brně, Státní okresní archiv Zlín
Literatur
  • Slávka Červená, Zpravodaj Zlín, 1993, S. 8-9
  • Dušan Riedl, Prostor Zlín, 1993
  • Jiří Čančík, Spolupráce architektury a výtvarného umění - katalog k výstavě, S. 3
  • Jiří Čančík, Architektura ČSR XXVII, 1968, S. 111-112

Der akademische Architekt Jiří Čančík gehörte jener Generation an, deren Schaffensperiode nach dem tragischen Umsturz von 1948 begann. Er wurde in Bratislava geboren, lebte aber seit seinem dritten Lebensjahr mit seiner Familie in Prag. Nach dem Abitur begann er ein Studium an der Kunstgewerbeschule in Prag, einer Fachschule für Architektur unter der Leitung von Professor Otakar Novotný (1941–1946). Besonders beeinflusst wurde Jiří Čančík durch seinen nächsten Lehrer, den Architekten Jan Sokol. Während des Studiums erhielten die Architekten Aufgaben gemeinsam mit bildenden Künstlern. In diesem kreativen Umfeld lernte Jiří Čančík seine Frau Vlasta und viele Künstler kennen, deren Werke er später in seine Architektur integrierte.

Während seines Studiums absolvierte er Praktika unter anderem im Atelier von Josef Gočár und bei Pavel Janák im Architekturbüro der Prager Burg. Am Ende seines Studiums und kurz danach arbeitete er an der Hochschule als Assistent von Professor Karel Štipl im Atelier für Glasbearbeitung und Glyptik. Ende 1948 wurde er von der bereits verstaatlichten Firma Baťa in Zlín eingestellt. Im März 1949 trat er seine neue Stelle an, allerdings nicht in der Bauabteilung, sondern beim neu gegründeten Bezirksatelier der Firma Svit und seiner Projektgruppe in Luhačovice.

Dort wohnte er mit seiner Familie bis 1960, als er nach Gottwaldov umzog, um der Hauptspezialist von Stavoprojekt zu werden. Hier hatte er das Glück, bei seiner Arbeit mit sehr unterschiedlichen Aufgaben betraut zu werden. Er widmete sich dem Bau von Wohn- und Infrastrukturbauten ebenso wie der Stadtplanung. Zusammen mit seinen Kollegen entwickelte er den Grundtypus des Plattenbau-Wohnblocks T06B, für den sie mit dem Preis des Architektenverbands der Tschechoslowakei ausgezeichnet wurden. Er beteiligte sich auch an einer Reihe von Architekturwettbewerben, zusammen mit den Architekten Antonín Flašar und Jan Palacký entwarf er beispielsweise preisgekrönte Projekte für Theaterbauten in Zlín, Brünn und Ostrava.

Zu seinen ersten Bauten in Zlín gehörten der Musikpavillon im Komenský-Park (1953–1954), der Kindergarten des Maschinenbauunternehmens ZPS (1953), die Wohnhäuser Fabiánka Nr. 210 und 211 in Kudlov (1950) und ein Pawlatschenhaus in der třída Tomáše Bati (1957). Ein markantes Werk aus der Feder von Jiří Čančík ist das Betriebsgebäude von Stavoprojekt (1960–1962), für das er zusammen mit Miloš Totušek eine neue Konstruktionsmethode entwickelte, die das für die Baťa-Bauten in Zlín so charakteristische Stahlbetonskelett mit einer Ummantelung aus Großbetonplatten kombinierte. In den Jahren 1967–1969 widmete er sich mit einem Autorenteam aus dem Büro des städtischen Chefarchitekten den Stadtzentren von Zlín und Otrokovice und erarbeitete ein langfristiges Konzept für die Entwicklung des gesamten Ballungsraums.

Er nahm an städtebaulichen Wettbewerben teil, bei denen er zusammen mit den Architekten Antonín Adamík, Adolf Zikmund und Arnošt Kubečka für seinen Entwurf zur Neugestaltung von Otrokovice ausgezeichnet wurde. Als Mitarbeiter von Stavoprojekt sammelte er viele Kontakte und Erfahrungen bei der Teilnahme an Architekturwettbewerben nicht nur Prag, sondern auch im Ausland, etwa in San Sebastián oder in Brasilien.

Čančíks Arbeit zeichnete sich durch die Verbindung von Architektur und bildender Kunst aus. Dieses Konzept brachte er in maximaler Weise auch beim Bau des Krematoriums (1970–1978) auf dem Waldfriedhof von Zlín zur Anwendung.

In Zlín erweiterte er das Stadtzentrum um den Marktplatz Pod kaštany (1973), ein großes dreizehngeschossiges Wohnhaus in der Kvítková ulice (1974) und Wohnhäuser mit integrierten Geschäftslokalen und Dienstleistungsbetrieben in der Dlouhá ulice (Handels- und Dienstleistungszentrum, 1976). Seit den sechziger Jahren sah er sich mit politischen Repressionen konfrontiert. Schon während des Protektorats hatte er sich als Mitglied der Nachrichtenbrigade am antinazistischen Widerstand beteiligt. Durch seine Weigerung, sich in der sozialistischen Ära politisch zu engagieren, und seine Aktivitäten während des Prager Frühlings brachte er sich um die Möglichkeit, sich konzeptionell zu entfalten, vor allem in der städteplanerischen Arbeit im Büro des Chefarchitekten der Stadt Zlín, wo er von 1967 bis 1969 als stellvertretender Leiter tätig war. Im Jahr 1970 kehrte er als Chefarchitekt zu Stavoprojekt zurück. Aufgrund seiner politischen Haltung und seiner Ansichten wurde er mit der beginnenden „Normalisierung“ 1971 aus dem Architektenverband der Tschechoslowakei ausgeschlossen.

Auch nach seiner Pensionierung im Jahr 1982 widmete er sich weiter baulichen Projekten. In Zusammenarbeit mit seinem Sohn Jan und seiner Tochter Kateřina Tuzarová entwarf er die Umgestaltung des Theaterplatzes in Zlín (1987) und das Portal für die Nationalgalerie in Prag (1988). Im Jahr 1989 stand er an der Wiege des Architekten- und Künstlerverbands BLOK. Im folgenden Jahr gründete er sein eigenes Architekturbüro und nahm an Wettbewerben für Kirchen in Otrokovice und im Wohnviertel Jižní Svahy in Zlín teil. Er wurde auch Mitglied des ersten neuen Stadtrats. Er starb am 22. August 2001 in Zlín.

Während seiner beruflichen Laufbahn realisierte er viele Projekte nicht nur in Zlín, sondern auch in der umgebenden Region. In den Jahren 1953–1956 entstand nach seinen Entwürfen in einer attraktive Lage die Wohnsiedlung Mojmír in Uherské Hradiště mit einer klaren, übersichtlichen städtebaulichen Struktur.

Für Luhačovice entwarf er den markanten Bau des Erholungszentrums von Sigma Lutín oberhalb des Stausees (1961 und 1969–1972). Im Zentrum von Luhačovice entstand nach seinem Entwurf auch das Kulturhaus Elektra (1978–1988). In Kroměříž rekonstruierte er unter anderem für die Zwecke einer Kunstschule ein verfallenes historisches Baudenkmal – die Kanonikerhäuser in der Jánská ulice (1981–1991).

Jiří Čančík gelang es auch in Zeiten der Typisierung und Normierung, seinen individuellen architektonischen Ansatz zu wahren. Er arbeitete mit vielen Kollegen zusammen und schätzte diese Zusammenarbeit. Kunstwerke waren ein integraler Bestandteil seiner Realisierungen. Wie er selbst sagte, „besteht die Aufgabe der Architektur darin, andere künstlerische Disziplinen zu integrieren, wie es in der Geschichte immer der Fall war“. Seine Bauten schmückten Werke der Bildhauer Stanislav Mikuláštík, Zdeněk Kovář, Ferda Štábl, Vladimír Janoušek, Jiří Seifert oder Jiří Váp, der Maler Vladimír Vašíček, Vlasta Čančíková, Svatopluk Slovenčík, František Nikl, Bedřich Baroš und Ladislav Včelař, der Glaskünstler Stanislav Libenský, Jaroslava Brychtová oder Jan Exner.


LH