Der akademische Architekt František Lýdie Gahura wird am 10. Oktober 1891 im ärmsten Teil Zlíns in eine zahlreichen Familie hineingeboren. František Gahura neigt seit seiner Jugend zur Bildhauerei und entscheidet sich für ein Bildhauerstudium. Er besucht die künstlerisch orientierte weiterführende Gewerbeschule in Uherské Hradiště und absolviert ein Praktikum bei dem Bildhauer und Stuckateur Alois Amort. Im September 1910 wird er an der k. k. Kunstgewerbeschule in Prag angenommen (unter der Leitung von Prof. Josip Plečnik).
Im Hinblick auf die rationalen Anforderungen von Tomáš Baťa, aber auch durch die Notwendigkeit materielle Sicherheit zu erlangen, entscheidet sich Gahura zu einem weiterführenden Studium der Architektur und wechselt im Jahr 1919 zur Prager Akademie der Bildenden Künste (zu Prof. Jan Kotěra). Noch als Student entwirft und realisiert er das Zlíner Rathaus (1922–1924). Nach seiner Heirat mit Lýdie Rousová aus Prag nimmt er noch deren Vornamen in seinen Namen auf.
1924 erhielt er bei der Firma Baťa eine Festanstellung, die er bis 1945 bekleidete. In den Jahren 1924–1925 wurde mit dem kompletten Umbau der bis dahin sich stürmisch entwickelnden Fabrik begonnen. Gahura entwirft den Regulierungsplan für die neue Anordnung der Gebäude unter Heranziehung des firmeneigenen baulichen Konstruktionssystems eines Stahlbetonskeletts mit 6,15 × 6,15 m großen Feldern. Von diesem ursprünglich für Fabrikgebäude bestimmten System beginnt er mit großem schöpferischen Erfindungsreichtum in den verschiedensten Varianten und in Kombination mit Ziegel- und Glasfüllungen auch bei öffentlichen Gebäuden Gebrauch zu machen.
Zu den ersten Firmenaufgaben Gahuras zählte der Bau des in den Jahren 1926–1936 realisierten Krankenhausareals. Das standardmäßige Konstruktionssystem nutzte er auch für den Bau der später Masaryk-Versuchsschulen genannten Volksschulen (1927). Ein origineller städtebaulicher Entwurf ist ein Parkboulevard in Zentrum von Zlín, der an zwei Seiten von Internatsblöcken für Baťas junge Männer und Frauen gesäumt wird. Er entwarf auch einen der ersten Bauten auf dem eine neue Gestalt annehmenden Zlíner Platz der Arbeit – das firmeneigene Kaufhaus (1930) und das Große Kino (1931).
Als Nachfolger von Jan Kotěra, der sein Professor war und ihm bei der Zlíner Architektur als Berater zur Seite stand, war er mit den standardisierten Familienhäusern der Firma an der Konzeption der Gartenviertel beteiligt. Nach Tomáš Baťas tragischem Tod baute er zu Ehren des Begründers des neuen Zlíns sein bedeutendstes Werk – die Tomáš-Baťa-Gedenkstätte (1933). Mit diesem ausdrucksstarken Solitärbau krönte er den Internatsboulevard und gleichzeitig damit auch die städtebauliche Nord-Süd-Achse der Stadt.
In den Jahren 1933–1946 bekleidete er die Stellung des ersten Zlíner Stadtarchitekten. Er arbeitete vornehmlich als Städtebauer am Regulierungsplan des „Großen Zlíns“ (1935) und initiierte den Zlíner Regionalplan. Seine mit dem Aufbau der Stadt gemachten Erfahrungen konnte er auch in den Satellitenstädten der Firma (Baťov in Otrokovice, Borovo, Chelmek, Ottmuth) sowie bei der Umgestaltung der umliegenden Gemeinden umsetzen. Während seiner anspruchsvollen architektonischen und städtebaulichen Arbeit widmet er sich auch weiterhin der Bildhauerei.
František L. Gahura hatte großes Talent, eine Liebe zur Kunst, einen ungebrochenen Willen und einen enormen Arbeitseinsatz. Mit seinen architektonisch durchdachten, zweckmäßigen und kühnen Entwürfen der Bauten bereicherte er seine Geburtsstadt und die ganze Region. Die Stadt Zlín verdankt diesem Architekten und seinem gebildeten Investor Tomáš Baťa ihren individuellen Charakter einer Stadt im Grünen mit weiten Freiflächen. Das großzügig angelegte Konzept einer Gartenstadt komplettierte er mit einem Regulierungsplan für die ganze Region und wurde zu einem Städtebauer von europäischem Format.
Seine Tätigkeit gelangte mit der Expansion der Firma auch über die Grenzen der Republik hinaus in die Satellitenstädte der Firma Baťa. Trotzdem war er außerhalb von Zlín nur wenig bekannt, zu seiner Zeit schuf er nicht nur bedeutende und ausdrucksvolle Solitärbauten, sondern konzipierte auch ein einzigartiges, stilistisch einheitliches Gesamtbild der neuen Industriestadt.
Gahura war auch als Mitglied von Kommissionen und Beiräten für Bauwesen und Architektur tätig. Zeit seines Lebens unterhielt er Kontakte zu einer Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten der tschechoslowakischen Kultur. Eine nahe Freundschaft und gemeinsame Ansichten über Kunst und Architektur verbanden ihn auch mit dem berühmten Architekten und Künstler Le Corbusier. Er stand auch bei der Geburt der republikweit veranstalteten Präsentationen von Bildender Kunst, den sog. Zlíner Salons (ab 1936), und bei der Gründung der Zlíner Kunstschule (1939) Pate.
Als Stadtarchitekt und ständiger Mitarbeiter der Firma gelang es ihm, auch in der komplizierten Kriegszeit für eine Reihe seiner Kollegen Arbeit zu finden, so beispielsweise für Bohuslav Fuchs, Josef Gočár, Pavel Janák oder Jindřich Kumpošt. Er war Mitglied des Vereins Koliba sowie der Künstlervereinigung Mánes und erhielt auch wichtige ausländische Preise (z.B. das Ehrendiplom von der Mailänder Triennale 1933).
Bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 kam in Zlín eine gegen Baťa gerichtete Ideologie auf, und der Architekt musste, ebenso wie eine Reihe weiterer Baťa nahestehender Mitarbeiter, Zlín verlassen. Er wurde auch allen Ämtern enthoben. Die Familie zog nach Brünn, wo Gahura Arbeit erhielt. Der Brünner Aufenthalt hat ihn jedoch schwer traumatisiert. Vom Leben gezeichnete Wunden, wie der Tod seiner beiden Kinder im Jahr 1934 und der Verlust des Zlíner Umfeldes, haben seine Gesundheit zerrüttet. Im Jahr 1951 ging er nach einem Schlaganfall in Pension und kehrte zur Bildhauerei zurück.
Er starb in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1958 und wurde auf dem Zlíner Waldfriedhof begraben (Feld 7, Grab 141).
LH